Montag, 21. Juli 2014

quälend vernünftig.


Ich favorisiere 3sat, arte und Phoenix, wenn es um herkömmliches Fernsehen geht. Kanäle mit einem gewissen Anspruch jenseits des Mainstreams. Zwischendurch zeigt sich jedoch, dass das weder eine Garantie noch Gewähr für irgendetwas beinhaltet. Auch auf diesen Kanälen wird zuweilen Erschreckendes versendet, nur eben auf anderem Niveau.

Wie so oft zappt man am späten Abend verzweifelt durch das Angebot Dutzender TV-Sender, auf der Suche nach etwas halbwegs erträglichem. Auf „Phoenix“ scheint man ansatzweise fündig zu werden: „Tausendsassa Tier“, eine zunächst harmlos anmutende Dokumentation über Fledermäuse. Na, warum nicht. Aber, dann…

Man darf von einem gewissen Lazzaro Spallanzani erfahren. Einem italienischen Priester, Philosophen und Naturforscher in Personalunion, der sich im 18. Jahrhundert als Erster dem Mysterium widmete, wie sich Fledermäuse im Dunkeln orientieren. Ab dem Jahr 1793 experimentierte der Geistliche drei Jahre lang mit den Tierchen und dokumentierte seine Forschungen in seinem Tagebuch.

Soweit noch harmlos. Doch dann, plötzlich und unerwartet: „Spallanzani traute den Erläuterungen der Bibel nicht und gab der Wissenschaft und der Vernunft den Vorrang“. Achwas. Er gab der Vernunft den Vorrang. Sieh an. Vorrang vor dem, was in der Bibel geschrieben steht. Upps. Was soll das denn werden?

Der gute Mann, seines Zeichens Priester, traute also den Erläuterungen der Bibel nicht. Aha. Welchen Erläuterungen, bitte? Dass Gott nur ein paar Tage brauchte, um die Erde zu erschaffen? Dass er Eva kurzerhand elegant aus Adams Rippe schnitt? Dass sich der Mensch nach zehn Geboten richten möge? Oder gibt es in der Bibel etwa Erläuterungen speziell über Fledermäuse? Welche Erläuterungen?

Der Wissenschaft gab Spallanzani also der Vorrang. Und der Vernunft. Das heißt also: Was in der Bibel geschrieben steht, ist unvernünftig. Und vernünftig(er) ist demnach irgendetwas anderes. Wissenschaft zum Beispiel. Eine solche Feststellung ist mindestens waghalsig. Und warum das so ist, zeigte sich dann auch prompt…

Spallanzani bastelte sich eine Kappe aus Haut, die er einer Fledermaus über den Kopf zog, um streng wissenschaftlich zu prüfen, ob sie damit immer noch im Dunkeln unfallfrei flattern kann. Und der Naturforscher notierte: „Sie stürzte zu Boden. Die Hautkappe machte sie vollkommen blind“. Na, prima. Das hat der Mann sehr vernünftig erkannt. Es kommt allerdings noch besser:

Um absolut sicher zu gehen, dass ich nur den Sehsinn prüfte, ging ich im Ausschlussverfahren vor. Mit kleinen, rot-glühenden Nadeln stach ich ihr die Augen aus. Das Ausbrennen der Augen erzeugte ein knisterndes Geräusch, das mir zeigte, dass die Pupille und der äußere Teil des Auges wirklich verbrannt waren. Doch auch mit ausgestochenen Augen konnte sie immer noch perfekt fliegen, ohne gegen die Wände zu stoßen“.

Natürlich: Wenn man den Erläuterungen der Bibel nicht traut, dann brennt man wehrlosen Tieren schon einmal die Augen aus. In aller Vernünftigkeit und „im Dienst der Wissenschaft“. Die Hexenverbrennungen im Mittelalter wären wohl ebenso nicht der Rede wert, wenn man das für die Wissenschaft und aus Vernunftgründen getan hätte. Was der Geistliche sonst noch mit seiner Fledermaus anstellte, habe ich dann mit Hilfe der Fernbedienung meiner Kenntnis entzogen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen