Dienstag, 31. Mai 2011

fragwürdig gebildet.



Wenn es noch eines letzten Beweises bedurfte, wie eklatant groß im deklarierten und propagierten „Bildungszeitalter“ die klaffende Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist, dann wurde dieser Beweis gestern Abend öffentlich im Fernsehen gesendet. Womöglich noch viel schlimmer ist jedoch das, was in diesem Zusammenhang deutlich unauffälliger und raffinierter passiert.

Kennen Sie „Planking“ (engl., sprich: „plänking“)? Das hängt mit einiger Wahrscheinlichkeit von Ihrem Lebensalter ab. Und davon, ob auch Sie gestern Abend beabsichtigt oder zufällig ein so genanntes „Boulevard Magazin“ des Privatsenders RTL gesehen haben. Bei „Planking“ handelt es sich um eine absonderliche, vornehmlich bei jüngeren Menschen angeblich zunehmend beliebte „Freizeitbeschäftigung“, bei der man sich „an möglichst außergewöhnlichen Stellen flach wie ein Brett hinlegt“, beispielsweise längs auf einem wenige Zentimeter schmalen Brückengeländer oder auf der Spitze eines Baukrans, je „spektakulärer“ desto besser. ( siehe auch: http://www.youtube.com/watch?v=rObgXiQEV8g )

Wo manch einer vielleicht dazu neigt, das Ganze mit einem kleinen Kopfschütteln zur Kenntnis zu nehmen und es dabei auch zu belassen, erbrachte RTL den wenig überraschenden Nachweis, dass sich daraus glatt ein rund zehnminütiger, teils dramatischer Bericht anfertigen lässt – einleitend mit den Worten: „Warum machen Menschen so etwas und wieso begeben sie sich dabei in Gefahr?“. Zwei interessante Fragen. Eine andere interessante Frage wäre: Warum halten das Redakteure, darunter womöglich sogar Journalisten, für so wissens- und berichtenswert, um daraus einen Bericht zu zimmern? Und das, wohlgemerkt, wo dieses Magazin laut RTL-Homepage unter der Rubrik „Information“ läuft, nicht etwa als „Unterhaltung“.

Dabei sollte man allerdings nicht den Fehler machen, diesen absurden Teil unseren Bildungszeitalters auf die fragwürdige Existenz von „Boulevard Magazinen“ zurückzuführen. Denn – apropos „Fehler“ – dazu sind auch seriöse, angesehene Nachrichtenmagazine in der Lage: So wurde aus dem Bereich „Wissenschaft“ ganz seriös über die „Psychologie des Fehlermachens“ und die neuesten Erkenntnisse eines Psychologenpärchens berichtet – in der Qualität durchaus vergleichbar mit „Planking“ und dazugehöriger Berichterstattung.

Demnach würden wir (wir alle) grundsätzlich zu der subjektiven Gewissheit neigen, das Richtige zu tun, obwohl es nach objektiver Faktenlage das Falsche ist. An erster Stelle wäre hier sicherlich zunächst die Frage angebracht, ob eventuell die beiden Psychologen mitsamt ihren Erkenntnissen davon mitbetroffen sein könnten.
Zweitens darf man das schon alleine deshalb in Erwägung ziehen, weil die beiden ihre als „Wissenschaft“ deklarierten Vermutungen u.a. auf „die Architektur des Gedächtnisses“ zurückführen, denn schließlich sind Psychologen keine Neuro- und Gehirnforscher.
Drittens ist das, was jeweils „richtig“ und „falsch“ und was überhaupt eine „Entscheidung“ ist, in erster Linie eine Frage, die in das Gebiet der Erkenntnistheorie fällt, und damit in einen Bereich, in dem Psychologen nicht ernstzunehmen sind, wenn sie darauf ihre Argumentation aufbauen.

Diese Fragwürdigkeiten jedoch scheinen ein seriöses Nachrichtenmagazin genau so wenig von einer Berichterstattung an die Öffentlichkeit abzuhalten, wie ein „Boulevard Magazin“ vom „Planking“. Und das mitten in unserem „Bildungszeitalter“, das jedoch vielleicht gerade deshalb so bezeichnet wird, weil es eine Herausforderung sein kann zu beurteilen, was nun tatsächlich „Bildung“ ist und was nicht.
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