Montag, 24. Februar 2014

eigentümlich gespeichert

Im Zuge der Französischen Revolution wurden unliebsam gewordene Mitmenschen öffentlich enthauptet – bis zu 300 an einem Wochenende. Da wurde das manuelle Henkern mit dem Schwert irgendwann zu ineffizient und man erfand die Guillotine. Und heute? Vor zwanzig Jahren hatte man Formulare und Karteikarten. Das war ineffizient. Heute wird einfach alles verchipt und vernetzt. 

Einer Umfrage zufolge prallt die „Faszination Auto“ an immer mehr Jugendlichen ab. Die aufwachsende Generation favorisiert den Öffentlichen Personennahverkehr, u.a. aus Umweltschutz- und Kostengründen. Auf die Frage, wie man die Vehikel für die jungen Menschen wieder interessant machen kann, antwortete der Manager eines Automobilkonzerns: „Wir müssen das Auto in Zukunft besser vernetzen“. Aha.

Eine solche Feststellung hätte noch vor 20 Jahren ziemlich merkwürdig geklungen. Heute klingt so etwas schon fast plausibel. Was wiederum genauso merkwürdig anmuten kann. Das hängt vielleicht vom Lebensalter ab. Vielleicht auch davon, wie viel man darüber nachdenkt; und: ob überhaupt.

Früher jedenfalls fuhr man ein Auto, um von A nach B zu kommen. Später dann, um mit allerlei Sicherheits-Schnickschnack einen schweren Unfall zu überleben. Und nun… fährt man Auto, um „besser vernetzt“ zu sein, mit wem oder was auch immer.

Dabei verarbeiten Automobile heute bereits etliche Daten, aus denen problemlos Rückschlüsse über Fahr- und sonstige persönliche Gewohnheiten möglich sind, von Bewegungsprofilen ganz zu schweigen, z.B. mittels Airbag-Steuersystem, Navigationssystem und Einparkhilfe. Noch ganz abgesehen von „eCall“, einem Auto-Notruf-System, das nach EU-Anweisung in jedes ab 2015 hergestellte Auto eingebaut sein muss. So fährt man praktisch in einem blechernen Dauersender herum.

Und das produziert merkwürdige, dafür aber zeitgemäße Probleme, etwa die Frage nach einem Datenschutz fürs Autofahren. Oder wie der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Kranig, meinte: „Wir wissen nicht genau, wer Eigentümer dieser Daten ist, der Käufer des Fahrzeuges, oder möglicherweise jemand anders; wir wissen nicht, wer diese Daten auslesen darf, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, eine Kfz-Werkstätte, oder möglicherweise der Hersteller“.

Das ist mal eine Frage: Wem gehören die Daten? Da wird ganz nebenbei auch der Begriff „Eigentum“ verhackstückt. Ab wann und bis wann genau „gehört“ mir eine Information ganz alleine? Darf ein gelangweilter Rentner den Hobby-Blockwart spielen und die amtlichen Kennzeichen falschgeparkter Autos notieren, mit Datum und Uhrzeit? Oder darf er das alles nur im Kopf behalten? Oder nicht einmal das?
Oder ist der Eigentümer dieser Daten der Autofahrer und/oder der Autobesitzer, weil seine Fahrten schließlich seine Privatangelegenheit sind; auch wenn er sich im öffentlichen Raum bewegt, oder gerade deshalb eben nicht? Handelt es sich dabei überhaupt um Daten? Oder nur um Information? Oder beides? Oder weder-noch? „Gehören“ einem dann zwar die Daten, nicht aber die Informationen? Oder umgekehrt? Oder wird aus Informationen erst durch Speichern ein Datensatz? Ist dann die Notiz des Rentners auf einem Zettel bereits eine Form von „Speichern“ oder noch-nicht? Oder wird das erst kritisch, wenn die Notiz von irgendwem gelesen, also: „ausgewertet“ wird?

Die Selbstverständlichkeit mit der sich im Domino-Effekt heute solche Fragen ergeben, ist (siehe oben) einigermaßen merkwürdig. Und es dürfte noch merkwürdiger werden, wenn das Ganze nach Internet und Smartphone, eMail, „Facebook“ & Co. nun auch datensendende Kraftfahrzeuge und Fernseher, bald auch Armbanduhren („SmartWatch“) und Brillen („Google Glass“), in Zukunft den gesamten Haushalt, Kühlschränke, Thermostate, etc betrifft.

Vielleicht sollte man der Gesamtproblematik zuvor kommen, indem zukünftig und/oder rückwirkend die Eltern für ihre Neugeborenen eine Lebensdatenschutz- oder gleich eine -überlassungserklärung gegenzeichnen müssen.

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