Freitag, 19. Juni 2015

sprachlich verstolpert

Wie meinte Wittgenstein: Die Sprache ist in der Lage, den Verstand zu verhexen. Doch so weit muss man gar nicht gehen. Manchmal weiß man wirklich nicht mehr, ob man über sprachliche Stolperer amüsiert schmunzeln oder sich über das Verdummungspotenzial aufregen soll. Und außer diesem Entweder-Oder gibt es da natürlich noch die fließenden Grenzen.

Ein einmaliger sprachlich verrutschter Ausrutscher gelang kürzlich dem ARD-Korrespondenten in Brüssel, Rolf-Dieter Krause, als er zur andauernden Griechenland-Problematik meinte: „Doch geschehen ist seit dem nichts. Im Gegenteil“. Das Gegenteil von Nichts. Das ist so grandios, so etwas kann nur aus dem Moment heraus passieren. Das könnte nicht einmal Dieter Bohlen absichtlich texten.

Apropos andauernd und Musik: Ein seltsamer Dauerbrenner im Radio ist das Lied „New York, Rio, Rosenheim“.von der Combo „Sportfreunde Stiller“, in dem es beispielhaft verkorkst heißt: „Die Welt ist groß genug - wir sind nicht allein“. Welch Glück, dass Lyrik nicht unbedingt erklärt werden muss. Doch für vertonten Tiefgang sind ohnehin andere zuständig.

Von grober Seltsamkeit ist auch der Refrain eines neuen Liedes von Sarah Connor aus Oldenburg in Oldenburg, von der ich früher dachte, sie würde die weibliche Hauptrolle in den „Terminator“-Streifen spielen: „In all Deinen Faaabn, mit all Deinen Naaabn“ trällert sie da. Das Weglassen des „r“ (Farben/Narben) ist mindestens fragwürdig. Nicht zuletzt, wenn das von einer Sängerin stammt, die auch die deutsche Nationalhymne in „Brüh im Glanze…“ umtextete.

Wie Sprache nach Wittgenstein den Verstand verhexen kann, veranschaulicht auch die Dokumentationsreihe eines Nachrichtenkanals auf dramatische Weise mit dem dramatischen Titel „Klima extrem – Wetter außer Kontrolle“. Dramatische Belege des globalen Klimawandels, der natürlich am Wetter zu erkennen ist. Für den Fastfood-TV-Konsum setzt man Klima und Wetter kurzerhand gleich. Und Letzteres ist demnach inzwischen sogar „außer Kontrolle“. Wohl im Gegensatz zu früheren Zeiten vor dem Klimawandel.

Bei dieser Thematik gehört unbedingt noch die Wetterfee des Ersten Deutschen Fernsehens, Claudia Kleinert, erwähnt: In einer kürzlichen Wetterprognose für Nordrhein-Westfalen kündigte sie „lokale Gewitter“ an, deren Entladungen sich jedoch örtlich nicht exact vorhersagen ließen: „Es hängt davon ab, wo Sie sind“. Das Wetter hängt davon ab, wo man ist. Wer hätte das gedacht.

Im Grunde könnte man jede Wettervorhersage auf diesen einen Satz beschränken. Tut man aber nicht. Im Gegenteil. Wenn man sich nachts „Die Tagesschau vor 25 Jahren“ ansieht, fragt man sich, wie man damals bloß mit dermaßen wenig Wetter ausgekommen ist. Oder: Warum man sich heute der Wetterlage dermaßen ausführlich widmet. Vielleicht, weil man aus dem Wetterbericht und der Wettervorhersage inzwischen sprachlich eine -Prognose gemacht hat. Unter anderem. Siehe auch hier: "Das Geschäft mit dem Wetter" (NDR)


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