Dienstag, 12. Januar 2016

öffentlich-rechtlich gezündelt

„Holzauge sei wachsam“ heißt es. Das sollte insbesondere für den Blick auf das gelten, was in den Medien passiert. Etwa, wenn im Dauerthema „Flüchtlinge“ nun fleißig an der öffentlichen Meinung gezündelt wird. Das muss man im Einbahnstraßen-Medium Fernsehen hinnehmen – aber nicht tolerieren.

Die Sendung „hart aber fair“ mit Frank Plasberg gestern Abend im Ersten, einem wohlgemerkt von uns allen gebührenfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Sender, Thema: „Die Schande von Köln“. Aufgrund der Masse der extrem fragwürdigen Szenen dieser Ausgabe muss ich mich hier auf ein paar beschränken.

Moderator Plasberg befragt zunächst eine junge Frau, die an Silvester in Köln vor Ort war und von den u.a. sexuellen Übergriffen persönlich betroffen ist, also aus ungefilterter eigener Erfahrung berichten soll. Frage: „Hat sich durch Ihre Erlebnisse Ihre Haltung zu Migranten, zu Ausländern, zu Flüchtlingen verändert?“.

Die Antwort:  „[…] Es geht ja nicht darum, woher die Männer kommen…. ist mir egal, ob die aus den Niederlanden kommen oder aus Afrika, es geht einfach darum, dass jeder seine gerechte Strafe bekommt. Und das hat absolut nichts mit Herkunft zu tun. Ich finde, jeder verdient die gerechte Strafe, egal aus welchem Land er kommt“.

Applaus im Studio. Auch wenn die junge Frau die Frage damit nicht beantwortet hat. Plasberg wollte schließlich nicht wissen, wer wofür auf welche Weise bestraft gehört, sondern ob sich ihre Haltung durch ihre Erlebnisse verändert hat. Der Moderator belässt es allerdings dabei, hakt nicht nach, wie er es doch ansonsten gern tut.

Wie etwa ein paar Minuten später bei Renate Künast: „Frau Künast! Am Silvesterabend sind in Köln die Rechte der Frauen mit Füßen getreten worden. Wem gehörten diese Füße?“, will Frank Plasberg wissen. Allein die Art der Fragestellung offenbart zwischen den Zeilen, worauf Plasberg hinaus will. Ich stutzte zum ersten Mal.

Renate Künast antwortet „Uns allen. […] Es ist uns allen auf die Füße getreten worden, weil wir alle davon faktisch betroffen sind“. Plasberg unterbricht: „Meine Frage war nicht, wem auf die Füße getreten wurde, sondern wem diese Füße gehörten, die getreten haben“. Künast  „Schlicht und einfach: Straftätern!“.

Während Künast für ihren Folgesatz Luft holt, fährt Plasberg erneut rhetorisch dazwischen: „Sollen wir die Sendung an dieser Stelle beenden? Dazu ist ja dann alles gesagt(?)!“. Dieselbe Antwort, die bei der betroffenen jungen Frau vorher noch kein Problem war, nutzt Plasberg hier nun zu einer recht barschen rhetorischen Rückfrage. Man fragt sich: Was will der Moderator hier zwanghaft erreichen?

Das wird ein wenig klarer als Plasberg einen Trailer anmoderiert: „Die unfassbare Aktion von Männern, von Menschen, die sich in diesem Land – so dachten wir – ein besseres, ein sichereres Leben gewünscht haben“. Aha: „So dachten wir“. Wir haben uns also offenbar geirrt. Oder wie?

In Wirklichkeit sind all diese Männer und Menschen gar nicht hierher gekommen, um ein sichereres, besseres Leben zu haben, sondern… (?) …um uns zu terrorisieren? Oder wie? Was soll man dieser beiläufig eingeschobenen Anmerkung bitte entnehmen? Was soll das?

Damit formulierte der Moderator nun also das Motto, unter das er seine Sendung gestellt haben wollte. Er wollte ganz offenkundig beredet haben, dass der Strom an Zuwanderern (auch) eine Gefahr darstellt. Doch der Grat zwischen „Klartext reden“ und dümmlicher Hetze ist äußerst schmal. Moderator und Sendung wankten zuweilen bedenklich diesen Grat entlang.

Sodann ergriff der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt das Wort: „Wir haben seit Jahren den Erlass, dass wir auf die Herkunft der Täter, wenn wir Berichte schreiben, keinen Bezug nehmen dürfen. Wir haben seit Jahren die Sprachregelungen verändert, dass wir beispielsweise nicht mehr von reisenden Roma reden dürfen, sondern dass wir sagen, das sind Personengruppen mit häufig wechselndem Wohnort“.

Nach amüsiertem Lachen im Publikum Wendt weiter: „Ja, das hört sich lächerlich an, aber damit wird in der Tat eine Sprache gezüchtet, […] eine allgemeine politische Erwartungshaltung, und noch nicht einmal das passt den Menschen, dass man schildert, was Polizistinnen und Polizisten täglich erleben, dann wird dies sofort in die rechte Ecke geschoben. Das ist doch unser Problem!“.

Wendt bekam hierauf guten Applaus. An dieser Stelle fühlte sich die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder motiviert zu erklären: „Wir haben einfach ein Klima in diesem Land, schon seit vielen Jahren, dass medial. politisch sofort über Sie hergefallen wird, wenn Sie bestimmte Dinge aussprechen“. Sieh an. Nicht nur „sagen“, sondern „aussprechen“. Auch hierauf: Applaus vom Publikum.

So, so. Man wird „in die rechte Ecke geschoben“, wenn man „bestimmte Dinge ausspricht“. Ähnliche Sprüche waren bisher im Grunde nur von „PEgIdA“, „AfD“, etc zu hören, und zwar allseits angefeindet. Es ist (wortwörtlich) be-denk-lich, wenn in dieser Sendung öffentlich-rechtlich moderiert eine solche Umkehrung erfolgt.

Damit nicht genug. Frau Schröder weiter: „…und dieses Klima, das haben wir in Deutschland ganz drastisch. Aber ich habe ein gutes Gefühl in den letzten Tagen, dass da was aufbricht“. Darauf Frank Plasberg: „Lassen Sie uns bei diesem Punkt nochmal bleiben, weil der sehr interessant ist: Da bricht etwas auf, das unter der Decke geschwillt hat, oder man kann auch sagen: gestunken hat...“.

Wenn jemals eine mediale Stimmungsmache offenkundig war, dann hat sie in dieser Sendung – wohlgemerkt: öffentlich-rechtlich – stattgefunden. Ich bewerte hier nicht, was richtig oder falsch in der Thematik ist. Ich bewerte, was gesendet wurde. Und das passt mir ganz und gar nicht.

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