Montag, 7. Juni 2010

frisch gestrichen.

Wenn es um Sparmaßnahmen geht, könnten sich vielleicht an erster Stelle einige Volksvertreter einige ihrer Stellungnahmen sparen – gerade bei Themen, von denen sie ganz offensichtlich weitaus weniger als die Hälfte verstehen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall und herausgekommen ist dabei „das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik“. Einen Tusch bitte.
.
Frisch gestrichen werden sollen also bei „HartzIV“-Empfängern etwa „Leistungen, die nicht dazu dienen, die Menschen wieder in Arbeit zu bringen“. Das ist eine interessante Angelegenheit. Denn Menschen, denen das Existenzminimum zugestanden wird, erhalten vom Staat – das sagt der Begriff deutlich aus – das Minimum zur Existenzsicherung. Was sind bei einem Minimum dann Leistungen, die nicht dazu dienen, arbeitslose Menschen wieder in Arbeit zu bringen? Die Miete vielleicht? Na, sicher: Was trägt der staatliche Mietzuschuss bitteschön dazu bei, dass Arbeitslose wieder Arbeit finden? Eben. Also: streichen. Oder wie ist das gemeint?
.
Und wie ist das eigentlich bei Senioren, deren Rente nicht ausreicht, um den Monat finanziell zu überleben und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind? Wie ist das bei krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Menschen? Wie ist das bei der eine Million Über-50-jährigen, die auf diesem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben und bei den rund 700.000 alleinerziehenden Müttern, die Kanzlerin Merkel explizit hervorgehoben hat? Leistungen kürzen! Rigoros. Alles pauschal streichen, was nicht dazu dient, diese Menschen wieder in Arbeit zu bringen, selbst wenn das in den meisten dieser Fälle kaum möglich sein dürfte, und bei mitbetroffenen Rentnern völlig sinnlos ist.
.
Im Gegenteil werden auch solche Leistungen eingespart, die hilfreich wären, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Ein paar zusätzliche Euro etwa, um Passfotos für Bewerbungen machen lassen zu können, vielleicht auch für einen monatlichen Frisörbesuch, um auf den Passfotos einen ordentlichen Eindruck zu machen, vielleicht auch für Briefmarken, um die (ggf.: etlichen) Bewerbungen denn auch abschicken zu können. Auch das wird (weiterhin) eingespart und werden Arbeitsuchende von ihrem nochmals gekürzten Existenzminimum abknapsen müssen. Irgendwie.
.
Parallel zu diesem großartigen „Sparpaket“ soll das Gesundheitssystem, das pathologisch am Rande des Kollaps steht, demnächst durch eine zusätzliche „Kopfpauschale“ von zwanzig oder dreißig Euro finanziert werden – ein Betrag, den „HartzIV“-Empfänger von ihrem mutmaßlich nochmals gekürzten Existenzminimum dann erst recht nicht aufbringen können werden, und der deshalb in Milliardenhöhe vom Staat gezahlt werden wird.
Das gleicht sich wunderbar damit aus, auf alleinerziehende Mütter einen obligatorischen Arbeitszwang auszuüben, und ihnen dafür die notwendige Kinderbetreuung staatlich finanzieren müssen.
.
Was für eine bestechende Logik. So sieht der von der Regierung selbstbejubelte „Kraftakt“ aus, als Ergebnis einer fast elfstündigen Nachtsitzung. Wobei Angela Merkel am Sonntag noch vorsorglich verkündete, es hätte niemand vor, an der „Sozialen Marktwirtschaft“ zu rütteln. Womöglich jedoch wäre genau das angebracht: zumindest ein wenig daran zu rütteln, um mit einer anderen Logik auf andere Ideen zu kommen, die ausnahmsweise echte Lösungen ermöglichen.
.
Und ansonsten? Was ist das Signal, das von höchster Stelle ausgeht? Wir müssen „sparen, sparen, sparen“. Wenn das noch ein paar Mal wiederholt wird, bis es auch der Letzte gehört hat, dann kann in Kürze über die „Kaufzurückhaltung“ der Konsumenten gejammert werden, die den Konjunkturmotor lahmlegt, die Steuereinnahmen wegbrechen lässt und ein neues Sparpaket erfordert.
.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen