Freitag, 22. Juli 2011

ausdrücklich entwickelt.


Evolution ist nichts, was in Büchern beschrieben oder in der Schule gelehrt wird. Sondern Evolution findet statt. Jetzt gerade. Wir sind mittendrin. Das sollte man sich unbedingt ab und zu bewusst machen. Ganz besonders, wenn man sich mit der deutschen Sprache und verschiedenen Auswüchsen beschäftigt.

Da steht man irgendwo in irgendeinem Stadtzentrum herum, in unmittelbarer Nähe einer Gruppe von Heranwachsenden, und schwankt. Man schwankt, ob man sich dagegen wehren soll, deren Unterhaltung mitzuverfolgen, weil es jemandem, der gewissen Wert auf sprachlichen Ausdruck legt, leichte Ohrenschmerzen zufügt. Oder ob man lieber zuhören soll, um betrefflich Jugendsprache auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Wie so oft jedoch stellt sich eine scheinbare Wahl als genau solche heraus, die man gar nicht hat, weil sie von der dramatischen Realität übertönt wird. Es ist erstaunlich, mit welcher Lautstärke sich Jugendliche gegenseitig zubrüllen. Das lässt sich nur durch eine allgemein verbreitete nachhaltige Hörschädigung infolge Discothekenlärms und Dauerberieselung mittels MP3-Abspielgeräten erklären.

Es gibt jedoch nicht allzu viel, was man verpassen würde: so ziemlich jeder Satz wird mit einem „…weiße“ („…weißt du“) abgeschlossen, direkt gefolgt von dem Füllsatz „…keine Ahnung“. Ein recht übersichtlicher Wortschatz also. Wobei es zudem in Mode zu sein scheint, das „sch“ übermäßig zu verwenden. So lautet ein typischer jugendlicher Austausch in etwa wie folgt: „Isch hab disch gestern angerufen, weiße… keine Ahnung“ – „Escht? Hab isch nisch mitgekrischt, weiße… keine Ahnung“ – „Ja, escht, weiße… keine Ahnung“.

In derselben Stadtmitte, ein paar Meter weiter in einem Lokal hört man vom Nebentisch einige Wortfetzen durch die Luft schwirren, die sinngemäß ungefähr folgendes ergeben: „…und da hat der CEO das Meeting gecancelt. Jetzt müssen wir uns online updaten wie es um die Performance steht. Aber ganz relaxed, der Workshop ist erst nächste Woche, dann wird gebrieft und wir können auf Power umswitchen“.

Ich bin mir nicht ganz sicher, welche Rolle die sprachliche Entwicklung in Darwins Evolutionstheorie spielt. Doch hier wäre es ausnahmsweise sehr beruhigend, wenn das nur die Randerscheinungen eines etwas unglücklichen Zufalls wären und nicht das Ergebnis einer beabsichtigten Schöpfung.
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