Mittwoch, 12. Oktober 2011

technisch vergöttert.




Vor einer Woche ist ein US-amerikanischer Unternehmer gestorben, der sehr viel mit Computern zu tun hatte, ein bisschen etwas auch mit Mobiltelefonen und elektronischen Musikabspielgeräten; erheblich mehr jedoch mit Vermarktung und Verkauf. So betrachtet ist es ein wenig irritierend, wenn sogar Regierungschefs ihre Anteilnahme als offizielle Pressemitteilung kundtun und dieser Unternehmer in Nachrufen gar als „Gott“ betitelt wird.

Natürlich. Es geht um Steve Jobs. Es ist vielleicht nur in Papua-Neuguinea möglich, über dessen Tod noch nicht informiert worden zu sein. Mich persönlich überraschte diese Meldung auf einem Hotelzimmer beim nächtlichen Zappen durch die TV-Kanäle: CNN berichtete über nichts anderes als diese „Breaking News“ mit den in solchen Fällen üblichen nichtssagenden, überflüssigen Live-Bildern, Hauptsache es sind irgendwelche Live-Bilder zu sehen.

Wobei mich die erste Irritation erhaschte, als Steve Jobs in seiner historischen Bedeutung auf das Niveau von Thomas Edison und Henry Ford gehoben wurde. Im späteren Verlauf nur noch getoppt von der Bezeichnung „iGod“, posthum nicht nur heilig gesprochen, sondern zu einem „Gott“ ernannt, mit vorangestelltem „i“ selbstverständlich in Anspielung auf Produkte wie „iMac“, „iPhone“, „iPod“ und „iPad“.
Diese Seltsamkeit ermöglicht immerhin eine prima Überleitung zu der Redewendung, vielleicht doch für einen Moment die Kirche im Dorf zu lassen. Beispielsweise, weil Jobs manches, das ihm gerüchteweise immer wieder als Erfindung zugesprochen wird, gar nicht erfunden hat, wie etwa die „Maus“ zur Computersteuerung. Oder wie Jobs zu Lebzeiten meinte: „Ein guter Künstler kopiert. Ein großer Künstler stiehlt“.

Vielleicht sollte man zwischendurch auch das relativieren, was Jobs tatsächlich erfunden oder zumindest angestoßen hat. Etwa die Farbgrafik auf Computermonitoren, ein tragbares Musikabspielgerät und ein Mobiltelefon mit Computerfunktionalität („Smartphone“). Erfindungen, wegen deren Jobs als „Visionär“ betitelt wird.
Sicherlich. Ungefähr so visionär, wie derjenige, der seinerzeit das Schwarz-Weiß-Fernsehen als verbesserungsfähig erkannte und daraufhin das Farbfernsehen erfand. Oder wie der Erfinder, der an Telefonen die Wählscheibe durch Tasten ersetzte. Oder auch wie der Erfinder des „Walkman“. Nur beispielsweise.
Kaum jemand weiß, wer diese Erfinder waren. Im Falle von „Apple“-Produkten dagegen weiß man es. Und allein schon daran lässt sich erkennen, dass Jobs vor allem eines war: Ein großartiger Verkäufer.

In zweiter Linie war Jobs ein äußerst gewiefter Marketingspezialist, der eines nahezu perfekt erdachte und umsetzte: die „Planned Obsolescence“, nämlich die vorweg geplante Lebensdauer, also das quasi eingebaute Verfallsdatum – im Falle von „Apple“-Produkten weniger in technischer Weise, dafür umso mehr psychologisch: Jede neue Produktversion lässt die vorherige veraltet erscheinen. Der Kunde hat das bedrückende Gefühl, nicht mehr „up-to-date“ zu sein und der Entwicklung hinterher zu hinken. Jobs machte zweckmäßige Technik so zum Mode- und Trendobjekt, wie es ansonsten wohl nur in der Automobilbranche üblich ist.

In dritter Linie verstand es Jobs offenbar, den Kauf eines technischen Apparates zu einer Glaubensfrage zu stilisieren, als geistiger Visionär, als derjenige, der für uns die Zukunft erdenkt und entwickelt, Technik als Religion, Steve Jobs als der „iGod“, siehe oben.
Nicht zuletzt konnte Jobs auch die Medien für sich gewinnen, wie sich gerade auch in den Tagen nach seinem Tod zeigte. Permanent wurde man medial mit der naiven Feststellung konfrontiert, dass Steve Jobs auch „unsere Kommunikation veränderte“. Und der geneigte Leser möge sich fragen, ob sich seit der Ära Jobs tatsächlich verändert hat, wie sich Menschen gegenseitig beschimpfen, was sich Liebespaare in die Ohren flüstern und wie Politiker ihre Worthülsen formulieren.

Das hier ist nicht der Versuch, eine Lebensleistung in Frage zu stellen. Sondern es ist eine Anregung, eine Bedeutsamkeit zu relativieren. Nicht unbedingt die Bedeutsamkeit eines verstorbenen Unternehmers. Eher die Bedeutsamkeit dessen, wofür er als Person stand und worum es eigentlich geht. Beziehungsweise: wäre das Gleiche auch möglich mit einem Hersteller von Kaffeemaschinen und Leergutautomaten? Oder noch anders mit einem arabischen Sprichwort: „Ihr habt Uhren. Wir haben Zeit“.
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