Freitag, 30. Januar 2015

zwischenmenschlich erledigt

Inzwischen nervt es dann doch, das Thema PEgIdA. Jetzt kämpfen sie nicht nur gegen irgend etwas, sondern auch noch mit sich selbst und unter- und gegeneinander. Bei mir persönlich ist es mittlerweile so weit, dass ich bei jeder neuen Meldung an Volker Pispers denken muss: „Die Medien sind nicht dazu da, um uns zu informieren oder aufzuklären, sondern um uns zu beschäftigen“.

Auf dem (längst überschrittenen) Höhepunkt dieser Medialthematik wurde im seriösen „heute journal“ des ZDF ein mehrfach interessantes Interview geführt, eingeleitet von mahnenden Worten des Moderators Klaus Kleber: „Wer aber Islamisierung als politische konkrete Gefahr beschwört, der muss dann doch bitteschön Fakten auf seiner Seite haben. Die aber sprechen eine ganz andere Sprache als die Emotiononen und Parolen zum Beispiel der PEgIdA“.

Es folgte die Präsentation einer Handvoll solcher „Fakten“, wenn man statistisch erhobene Zahlen so nennen will, etwa dass „weniger als 5% Muslime in Deutschland leben“, wovon zwei Millionen deutsche Staatsbürger seien. 28% der weiblichen davon würden ein Kopftuch tragen, unter den 16-25-jährigen seien es mit 22% jedoch „deutlich weniger“. Abschließend wird noch hinterher geworfen, dass in Deutschland 45.000 Kirchen stehen, aber nur 2.400 Moscheen.

Dermaßen erschlagen von Zahlen soll noch einer unbelastet frei denken und dem Weiteren folgen können. Jedoch: Was sollen eigentlich diese Zahlen? Warum werden ausgerechnet diese Zahlen präsentiert und keine anderen? Warum wird etwa nicht auch die prozentuale Verteilung von Muslimen und Christen unter den Schwarzfahrern, Inhabern von Bibliotheksausweisen oder Döner-Konsumenten präsentiert?

Dass in Deutschland 45.000 Kirchen stehen, aber nur 2.400 Moscheen, hat ungefähr den qualitativen Gehalt, als ob man energiepolitisch feststellt, dass den circa 23.600 Windenergieanlagen in Deutschland nur 17 Kernkraftwerke gegenüberstellen, oder dass wir in Deutschland, verkehrspolitisch, circa 5.600 Bahnhöfe haben, doch nur 40 Flughäfen. Gut zu wissen. Und jetzt? Was soll eine solch hingeklatschte Information?

Das sollte dann wohl in einem Interview näher gedeutet werden, Klaus Kleber mit Hans-Joachim Maaz, u.a. Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Beziehungskultur, der erklärte: „Da sind viele Probleme, die zusammen kommen, sehr individuelle Probleme, da sind natürlich noch Ost-West-Probleme, Menschen, die zu kurz gekommen sind, die sich ausgegrenzt erleben, deren Hoffnung nicht aufgegangen ist im Westen, und es ist, wie man hört, auch eine Systemkritik an der Gesellschaft.. Diese Fragen müssten tatsächlich analysiert werden, die Leute wollen verstanden werden“. Sieh an.

Und darauf Klaus Kleber: „Wenn ich sie richtig verstehe, dann ist das, was wir gerade versucht haben, die Fakten darzustellen, wie sie tatsächlich sind, das geht dann an den Problemen völlig vorbei?“.
Auch wenn „rein faktisch“, also: statistisch, in Deutschland 45.000 Kirchen stehen, aber nur 2.400 Moscheen, ist es ein Unterschied, ob man in der Umgebung einer Kirche oder einer Moschee lebt, genau so, ob in Bahnhofsnähe oder in der Einflugschneise eines Flughafens. Mitunter gehen Zahlen – „Fakten“ – glatt am wirklichen Leben vorbei, das stimmt.

Dazu gehört auch, dass nicht die Zahlen, Daten und Statistiken, Experten-Analysen, Politik und Talkshow-Diskussionen das Problem klären, sondern ein simpler zwischenmenschlicher Konflikt aus dem wirklichen Leben. So meinte nach dem Rücktritt und Austritt von PEgIdA-Sprecherin Kathrin Oertel der Vize-Vorsitzende der AfD, Alexander Gauland: „Mit ihrem Austritt ist für mich das Thema Pegida erledigt“. So einfach ist das.

Immerhin waren wir eine Zeitlang thematisch beschäftigt. Jetzt könnten wir doch eigentlich mal wieder ein paar Klimaforscher reaktivieren und den Winter ausdiskutieren, andererseits hatten wir schon länger kein hochgefährliches Grippevirus mehr. Nur eines ist sicher: Man wird ein Thema finden, um uns zu beschäftigen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen