Mittwoch, 12. August 2015

heldenhaft abgedreht

Bei der Vorstellung, was Kinderherzen höher schlagen lässt, hatte ich früher immer deutlich anderes im Kopf als „Star Wars“, „Transformers“ und „Spiderman“. Entweder haben sich die Zeiten leicht geändert oder ich habe mich geirrt. Das Positive an einem solchen Irrtum wäre der Irrtum an sich: Er würde die Erkenntnis bestätigen, dass man auch mit zunehmendem Alter immer noch dazulernen kann. Ob man will oder lieber nicht.

Mein Gott, ist unser Junge noch naiv. Vergleichsweise. Sogar jetzt noch, gerade die zweite Klasse Grundschule hinter sich gebracht, gerade acht Jahre alt geworden, hat er nicht geringste Ahnung, um was es sich bei „Star Wars“ handelt oder wer oder was „Spiderman“ ist. Im Kinderprogramm sieht er sich noch immer vorzugsweise „Biene Maja“ und „Heidi“ an. Sowohl aus pädagogischen, wie auch aus psychologischen Gründen fragte ich ihn kürzlich „Sag’ mal, weißt Du eigentlich irgendetwas über ‚Transformers’?“, und bekam darauf die Antwort „Ja, dass Du andauernd davon redest“.

In der Tat. Zuletzt in einem örtlichen Spielwarengeschäft bei der Fahndung nach einem Geburtstagsgeschenk für einen Freund unseres Jungen. Es gibt da die Einrichtung einer so genannten „Geschenkebox“: Die Geburtstagskinder suchen sich Spielwaren in einer gewissen Preisspanne aus, die Artikel werden in einer Box zwischengelagert, und die eingeladenen Kinder treffen daraus eine Auswahl. So ist sichergestellt, dass die oder der Beschenkte nur etwas geschenkt bekommt, dass sie oder er sich tatsächlich wünscht. Wenn auch auf Kosten jeder sonstigen wirklichen Überraschung.

Bei einem schweifenden Blick über die Inhalte solcher Kisten kann es einem die Nackenhaare kräuseln. Männliche Kinder im Grundschulalter wünschen sich offenbar vorwiegend Aktionsspielzeug in den Kategorien entsprechender Aktionsfilme und -TV-Serien, eben à la „Star Wars“, „Transformers“ und ähnlichen Kram. Manches davon ist kaum als Spielzeug identifizierbar. Man muss es einfach in Erwägung ziehen, weil man sich gerade in einem Spielwarenladen befindet.

Meine Synapsen stellen mir dabei spontan mehrere Fragen zur Verfügung. Etwa, wie Kinder in diesem Alter eigentlich mit derlei Zeug überhaupt erst einmal in Berührung kommen, tatsächlich über das heimische Fernsehen oder über Videospiele, und ob das den Eltern durch Unaufmerksamkeit entgeht oder unbedacht schnurz ist oder den Kindern gar bewusst zu Unterhaltungszwecken zur Verfügung gestellt wird.

Noch während ich versuchte, diesen Gedanken als Unsinn abzuschütteln, näherte sich mir in diesem Spielzeugladen von rechts ein Elternpaar mit ungefähr vierjährigem Jungen. Während sich die Mutter zielgerichtet entfernte, machte der Vater den Kleinen auf ein Regal aufmerksam, in dem mehrere gleichartige Spielzeugschusswaffen ausgestellt waren, so etwas wie eine Armbrust und die Nachahmung eines Maschinengewehrs, natürlich Plastikmüll, in grellgrün und orange gefärbt: „Schau mal, da!“, ermunterte der Mann den circa-4-Jährigen.

Das ist also, worauf Eltern ihre Kinder heute aufmerksam machen: „Schau mal, da!“. Diese Szene hat mich derart unfassbar beeindruckt, dass ich prompt eine Recherche anstellte, wie dieser Krempel den Kindern angepriesen wird. Und zwar handelte es sich dabei um „Zombie Strike Blaster“, in fünf verschiedenen Ausführungen: „Zombie Strike Eilte Double Strike“, „Zombie Strike Sidestrike“, „Zombie Strike Armbrust“, „Zombie Strike Slingfire” sowie „Zombie Strike Sledgefire“, letztere mit Doppellauf für zwei „Zombie Strike Darts“, die nacheinander abgefeuert werden können, ohne nachzuladen, Reichweite circa 20 Meter. Und da sagt ein Vater zu seinem etwa vierjährigen Jungen: „Schau mal, da!“.

Tatsächlich berichtete mir unser Junge bereits kurz nach der Einschulung von einem Mitschüler, dessen Utensilien komplett im „Star Wars“-Thema gehalten seien, beim Tornister (auch: Ranzen, Schulpack o.ä. genannt) angefangen, Federmäppchen, Sportbeutel, etc, etc. Da waren die Burschen gerade sechs Jahre alt. Wie kommt ein 6-jähriger dazu, „Krieg der Sterne“ überhaupt bereits zu kennen, einen Darth Vader, einen R2D2-Roboter, Kampfraumschiffe, Laserschwerter und den ganzen Kram?

Warum wird so etwas durch die Eltern nicht nur nicht bereits im Ansatz verhindert, sondern durch den Kauf solcher Schulutensilien auch noch gefördert? „Wenn dem Jungen das doch gefällt“, nicht wahr. Na, klar. Aber: Warum eigentlich? Oder kann einem das wirklich schnurz sein, wenn Kinder im Grundschulalter auf „lebende“ Kampfroboter abfahren, die sich aus Automobilen „transformieren“, und sich gegenseitig über den Haufen ballern? Was muss da bloß an Geräuschen aus dem Kinderzimmer zu hören sein, wenn ein Junge mit solchem Spielzeug hantiert, womöglch noch gemeinsam mit ein paar anderen Freunden?

Wie können Eltern das als normal empfinden? Wie können sich solche Eltern dann noch ernsthaft wundern, wenn der Nachwuchs durch leichte Reizbarkeit und Aggression auffällt, und durch Sprüche, die wenig altersgemäß sind? Doch es scheint, als sei das normaler als ich bisher dachte. Und einer aus dieser Generation wird einmal Bundeskanzler. Willkommen im Bildungszeitalter.

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