Donnerstag, 31. März 2016

sichtlich daneben

Wortwörtlich sehenden Auges werden unsere Kinder in der Schule planmäßig fehlgebildet, nämlich institutionell, nach Lehrplan. Und wieder einmal zeigt sich: Diejenigen Schüler, die das Falsche am besten gelernt haben, bekommen die Bestnote. Es ist unglaublich. Und unvermeidlich.

Schon seit mehreren Wochen nehmen die Kinder der 3. Klasse hier an der örtlichen Grundschule das Thema „Auge“ durch. Und mitten drin befindet sich unser Sohn. Ich darf also wieder einmal hautnah erleben, was unser Bildungssystem mit der nächsten Generation so alles anstellt.

Nahezu wöchentlich hat unser Junge einen Heidenspaß, wenn er mir das neueste Lehrmaterial über „das Auge“ präsentiert, und ich dabei regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammenschlage. Wie unser Sohn berichtete, empfindet er bereits im Unterricht eine gewisse Vorfreude auf dieses Ritual.

Es begann mit der Überschrift auf einem Arbeitsblatt: „Was unser Auge sieht“. Nun gut. Unser Magen isst nicht, unsere Füße gehen nicht, und unsere Augen sehen nicht. Allenfalls sehen wir mit den Augen. Über einen solchen Lapsus kann man dabei noch hinwegsehen, bei der Annahme, man wollte hier speziell für Kinder etwas maximal vereinfacht ausdrücken. Sei’s drum.

Der Grat zwischen bewusster Vereinfachung und völliger Falschheit ist jedoch ziemlich schmal. Und das, was die Kinder (in diesem Fall: über das menschliche Auge) lernen, ist zu einem erschreckenden Großteil komplett daneben. Doch die Lehrerin muss das so lehren. Die Schüler müssen das so lernen. Planmäßig.

Aus Platzgründen hier beschränkt auf das neueste Vorkommnis: Angeblich sieht unser Auge ein Bild von unserer Umwelt, das durch die Pupille und die Linse auf die Netzhaut projeziert wird, allerdings falsch herum. Der Sehnerv leitet das Ganze an unser Gehirn weiter, das dieses Bild für uns wieder richtig herum dreht.

Jedoch: Nein. Nein. Und nochmals: Nein. Da ist kein „Bild“. Da sind keine „Bilder“ um uns herum, die unsere Augen sehen würden. Wir leben nicht in einem Spielfilm. Noch nicht einmal die gängige Ersatzerklärung ist korrekt, dass es sich um Lichtwellen handeln würde, die von Objekten reflektiert würden.

Unser Gehirn ist ein Organ, ein Nervenbündel, ein Klumpen aus Fett, organischen Verbindungen und Elektrolyten, und besteht zu 80% bis 90% aus Wasser. Darin ist es stockdunkel, nirgends darin ist Licht, nicht eine einzige Lichtwelle, geschweige denn ganze „Bilder“.

Wir haben hier – wie so oft, vor allem – ein sprachliches Problem, knifflige Phänomene überhaupt mit Worten zu erklären, und das dann auch noch „altersgerecht zu vereinfachen“. Das viel größere Problem ist jedoch, wenn im Ergebnis rein gar nichts „vereinfacht“, sondern zu 100% falsch ist. Mitten in unserem Zeitalter der Bildung und des Wissens.

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