Wissenschaftler
können uns so ziemlich alles erzählen. Und das tun sie auch. Eigenes Denken ist
dabei gar nicht mehr nötig. Es ist allerdings auch nicht erwünscht. Wehe, man
stellt infrage, was Wissenschaftler von sich geben. Ein Phänomen zwischen
Populismus und Demogredseligogie.
Unsere Kultur
ist ganz erstaunlich verblendet wissenschaftshörig. Deshalb gilt es auch als –
wortwörtlich – ungehörig, auch nur den Hauch von Skepsis an dem zu äußern, was
Wissenschaftler sagen. Das ist leicht paradox, wo doch gerade der Zweifel das
Fundament aller Wissenschaft ist.
Dieser
Unantastbarkeit liegt eine ganz raffiniert konstruierte Scheinlogik zugrunde:
Der Laie hat eben schlicht und keine Ahnung. Und wenn er in all seiner
Unwissenheit trotzdem denkt, kommt dabei natürlich zwangsläufig Unsinn heraus –
gegenüber Wissenschaftlern, die zweifellos richtig denken. Weil sie
Wissenschaftler sind. Punkt.
Eine
hochinteressante Rolle spielen dabei immer wieder Astrophysiker. Also Wissenschaftler,
die theoretisch am Urknall herumdenken, an Schwarzen Löchern und der mystischen
Dunklen Materie. Gerade die nämlich scheinen sich besonders berufen zu fühlen,
uns – jenseits ihrer Astrophysik – über alles Mögliche zu belehren.
Einer davon
war etwa Stephen Hawking, der noch kurz vor seinem Tod verkündete, Klimawandel,
Epidemien und Bevölkerungswachstum könnten der Menschheit in 100 Jahren den
Garaus machen. Ein Astrophysiker als Klimaforscher, Mediziner und
Soziodemograph in Personalunion. Und so etwas macht niemanden skeptisch.
Ähnliches
vollführen auch die beiden deutschen Astrophysiker Ranga Yogeshwar und Harald
Lesch, omnipräsent u.a. als TV-Moderatoren, Talkgäste und Vortragsredner, weil
scheinbar multikompetent für sämtliche Lebensfragen. Und auch das macht
niemanden ansatzweise skeptisch.
Letzterer,
Harald Lesch, ist ohne Frage rhetorisch und didaktisch äußerst begabt,
bezeichnet sich selbst als „Rampensau“, ist beeindruckend leidenschaftlich engagiert
in der Problematik des (nach seiner vollen Überzeugung: zweifellos
menschengemachten) Klimawandels. Diese Mischung ist allerdings insgesamt
fragwürdig.
So prangert
Lesch alle möglichen Missstände gnadenlos in aller Schärfe an: politische,
wirtschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche. Jedoch: Der gute Mann ist
Astrophysiker! Natürlich dürfte Lesch als besorgter, nachdenklicher Bürger
seine Meinung äußern. Doch das tut er eben nicht. Er tut das als
Wissenschaftler! Als solcher wird er schließlich überall eingeladen und engagiert.
Und wenn das
so ist, dann sollte man dessen waghalsige Kompetenzüberschreitung weit hinaus über
die Astrophysik infrage stellen. Doch genau deshalb wird Harald Lesch ebenso
wie Ranga Yogeshwar auch als „Wissenschaftsjournalist“ bezeichnet. Das heißt:
Die beiden lesen unheimlich viel über andere Wissenschaften – und: reden
darüber. Vor allem: letzteres.