Montag, 11. August 2008

Meinungs-Bastelstunde.

Einer heutigen Meldung zufolge hält - einer "Emnid"-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zufolge - (fast) die Hälfte der Deutschen das hierzulande herrschende Schulsystem für ungerecht. Wie Sie wissen, stehe ich Umfrage-Ergebnissen etwas kritisch gegenüber. In diesem Fall etwa könnte man, müsste man und sollte man sich beispielsweise - bevor man sich auf das angebliche Umfrage-Resultat stürzt - mit der Frage beschäftigen, was eigentlich genau "gerecht" und "ungerecht" sein soll und ob man die Befragten vorab auch dazu befragte.
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Jedoch: das wird wohl kaum der Fall gewesen sein. Die Befragten wurden befragt, ob sie das deutsche Schulsystem für gerecht halten, ja oder nein. Die einzelnen subjektiven Einschätzungen dessen, was überhaupt gerecht ist bzw. sein könnte, interessieren nicht; das sieht ohnehin jeder anders; wie sollte man das auch in eine Prozentzahl packen; da beschränken wir uns lieber auf das übersichtliche schwarz und weiß. Eben.
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Interessant wird es nämlich hierbei auch, wenn sich im Rahmen dieser Umfrage angeblich herausgestellt hat, dass "fast 90 der Befragten fordern, Kinder aus sozial schwachen Familien stärker individuell zu fördern". Natürlich.
Man stelle sich die passende Fragestellung vor: "Sind Sie der Meinung, Kinder aus sozial schwachen Familien sollten stärker individuell gefördert werden?". Welcher Befragte offenbart dabei schon seine kompletten Vorurteile gegenüber "sozial Schwachen" und will dazu noch als kinderfeindlich dastehen? Eben.
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Auch hier: man wird die Befragten wohl kaum gefragt haben, was sie sich unter "sozial schwachen Familien" überhaupt vorstellen und was das sein soll. Man käme dabei nämlich sehr schnell zu der Einsicht, dass diese so genannten "sozial Schwachen" grundsätzlich ghettoisiert leben müssen, aus "Hartz-IV"-Kostengründen vom Sozialamt in Stadtteile verbannt, wo es von so genannten "sozial Schwachen" nur so wimmelt. Jeder, der in einem solchen Stadtteil lebt, ist von vornherein mit dem Makel eines "sozial Schwachen" belegt. Und das gilt erst recht für Jugendliche, die auf ihre Bewerbung schließlich ihre Anschrift notieren und vom Personalbüro gleich bei der ersten Durchsicht aussortiert werden.
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Und dann hilft es rein gar nichts, wenn "Kinder aus sozial schwachen Familien stärker individuell gefördert" werden. Und dann ist nicht nur dieses Umfrage-Ergebnis völlig irrelevant, sondern schon die Fragestellung zeugt von der kompletten Ahnungslosigkeit renommierter Meinungsforscher. Aber wer will sich all diese Gedanken schon machen? Hauptsache, diese Umfrage wird nun in den Polit-Talkshows thematisiert und daraufhin etwas unternommen. Selbst wenn es noch so weit am eigentlichen Problem vorbeigeht.
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