Dienstag, 28. August 2018

digital konfrontiert

Es scheint in unserer Gesellschaft zunehmend radikal zu werden. Oder anders gesagt: Ein womöglich ohnehin leichter Hang zur Radikalität bekommt zunehmend Anlässe, öffentlich angewendet zu werden. Doch vielleicht liegt es auch daran, wie soziale Medien als Öffentlichkeit fungieren.

Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre war ganz schön was los in Deutschland. Es gab eine Hausbesetzerszene, es gab Demonstrationen gegen die Stationierung von Mittelstreckerenraketen in Deutschland und demonstrierten regelmäßig Atomkraftgegner. Das waren offiziell, politisch wie medial: alles „Chaoten“.

So gesehen war es die letzten paar Jahre vergleichsweise ziemlich ruhig. Es schien, als wäre die Bevölkerung massenhaft narkotisiert kaum noch von ihrer Couch, ihrem Fernseher und ihrer PlayStation wegzubekommen. Anlässe hätte es sicherlich ein paar gegeben.

Mit dem Internet und insbesondere mit den „sozialen Medien“ wurde das ein wenig anders: Jetzt konnte man seine Meinung öffentlich bundes- und sogar weltweit verkünden, sich massenhaft engagieren und/oder chaotisch toben, ganz bequem von Zuhause aus, relativ äußerst gefahrlos, mit einem Sicherheitsabstand so weit die Datenleitung reicht.

Diese Verhinderung und aktive Vermeidung der direkten persönlichen Auseinandersetzung mit Menschen anderer Meinung hat Folgen. Zumal hierbei nicht nur bekannterweise sämtliche non-verbalen Signale wie Gestik und Mimik flachfallen. Es hat sich dazu noch etabliert, die Welt auf ein schnödes „Gefällt mir“ oder eben nicht zu reduzieren, Daumen hoch oder runter, dazwischen gibt es nichts.

Wenn man lernt, die Welt durch diese künstlich digitale Brille wahrzunehmen, wähnt man sich gern auch in einer Welt auf dem intellektuellen Stand des Kalten Krieges, in der das eindeutig Gute gegen das eindeutig Böse kämpft. Wobei dummerweise jeder vollauf davon überzeugt ist, zu den Guten zu gehören.