Dieses „Früher war alles besser“ ist natürlich Quatsch. Aber man hat auf so einiges fröhlich gepfiffen, das inzwischen zu gewaltigen Problemen erhoben wurde …und (nur) deshalb nach Lösungen verlangt, die früher gar nicht nötig waren. Als ein Paradebeispiel: der Datenschutz.
In den meisten Themen, die heute vehement diskutiert werden, verpasst man es andauernd grandios, gedanklich ein Stückchen weiter vorn anzusetzen. Das ist ungefähr genau so, wie der Autofahrer, der innerlich gehetzt und gestresst im Slalom über die Bundesstraße jagt; dabei sich selbst und andere gefährdet, statt einfach fünf Minuten früher loszufahren.
So auch bei der zwanghaften „Digitalisierung“ unserer Welt. Auf der einen Seite ist man völlig begeistert von den Möglichkeiten, andererseits verbreitet es Angst und Schrecken, dass in dem ganzen Tammtamm, der früher einmal „EDV / Elektronische Datenverarbeitung“ hieß, jede Menge Daten verarbeitet werden.
Dieser Angst und diesem Schreckgespenst setzte man irgendwann den Datenschutz entgegen. Dadurch hat jeder Bürger ein Recht auf seine persönlichen Daten. Doch wo fängt das an und wo hört das auf? Ist etwa Ihr persönliches Geburtsdatum schon besonders schützenswert, wo doch Millionen andere am selben Tag geboren wurden?
Nein. Gefährlich wird es angeblich erst dann, wenn einzelne Daten miteinander verbunden und dadurch ganz bestimmten Personen zugeordnet werden können. Das führt inzwischen zu kleinen Seltsamkeiten, wie der Zugbegleiterin, die neuerdings keon Namenschild mehr tragen darf: Gesicht plus Name, Verknüpfung, Datenschutz. Im Fall der Fälle müssen Sie sich über die Personalnummer beschweren.
Noch seltsamer, dass nach der erfolgreichen Klage eines Österreichers an Haustürklingeln in Wien nicht mehr der Name des jeweiligen Mieters prangen darf. Denn Name plus Straße und Hausnummer, Verknüpfung, Datenschutz. Ob das eventuell leicht übertrieben ist, sollte man am besten Paketlieferanten fragen, oder Notärzte im eiligen Notfall.
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Dienstag, 20. November 2018
Dienstag, 30. Oktober 2018
freundlich genervt
Man wechselt normalerweise nicht ständig den Wohnsitz. Gott sei Dank. Denn die Kämpfe, die man während
einer solchen Aktion mit verschiedenen Telefon-Hotlines („Service“ genannt) bestreiten
muss, können einem durchaus den vorletzten Nerv kosten.
Da denkt man, wenn man für seine gesamte
technisch-mediale Anbindung an die Außenwelt, für Fernsehen, Internet und
Telefon, nur einen einzigen so genannten Provider hat, sollte es relativ
unkompliziert sein, einen Umzug zu melden und abzuwickeln. Da wird in
irgendeiner zuständigen Abteilung des Konzerns die „F12“-Taste gedrückt, und:
fertig. Jedoch: von wegen.
Denn gerade, wenn sich irgendwo ein Fehler einschleicht,
wird man schnell kreuz und quer durch die telefonische Kunden-Hotline verbunden,
auf der verzweifelten Suche nach jemandem, der eventuell zuständig sein könnte.
Irgendwann haben so viele hilfsbereite Menschen ihre Finger im Spiel, dass aus einem
einzigen kleinen zu behebenden Problemchen ein erheblich großes Durcheinander
wird. Die Chaostheorie live im Alltag.
Je öfter man zwangsweise mit solchen Hotlines telefonieren
muss, desto mehr und unangenehmer fallen einem dabei ein paar Details auf, über
die man ansonsten glatt hinweghört. Dabei hat man sich längst an die simuliert
stimmlich-automatisierten Sprachmenus erschreckend gewöhnt („Sagen Sie 1, wenn
Sie die Wartemusik noch einmal hören wollen“). Wenn man dann doch endlich
irgendwann einen Menschen am Hörer hat, bleibt es dennoch mindestens ebenso
erschreckend maschinell-automatisiert als menschlich.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“ hört man am Ende einer
ellenlangen Begrüßungsformel den Gesprächspartner fragen. Eine Antwort wie etwa
„Ich hoffe, Sie können“ oder „Ich bin gespannt, ob Sie können“ löst jedoch eher
Verwirrung aus: Das Hotline-Personal ist sich der selbstgestellten Frage vor
lauter automatisiertem Aufsagens gar nicht mehr bewusst.
Das Gleiche, wenn man im Laufe eines Telefonats in die
Warteschleife gelegt und anschließend wieder zurück begrüßt wird: „Danke, dass
Sie gewartet haben“. Na, was bleibt einem schon übrig. Eine antrainiert
automatisiert-floskelhafte Freundlichkeit, die einem irgendwann auf den Nerv
geht. Vielleicht auch nur das berüchtigte „Spiegelbild der Gesellschaft“.
„Wenn Sie wüssten...“ >> www.halloCerny.de
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Donnerstag, 13. September 2018
gestammelt diskriminiert
Wie man kürzlich erleben durfte, geht es sogar beim
Weltklasse-Damen-Tennis inzwischen sexistisch zu. Doch nicht etwa, weil im
Damentennis keine Herren spielen dürften. Sondern aus Gründen von diskriminierenden
Punktabzügen. Das liegt jedoch eher an der neuen Mutwilligkeit, überall Diskriminierung sehen zu wollen.
Kürzlich verlor der Tennis-Star Serena Williams ein bedeutendes
Finale leicht überraschend gegen eine Nachwuchsspielerin. Während des Spiels
beeindruckte Williams jedoch weniger durch Ball- als vielmehr durch Wortwechsel,
nämlich mit dem Schiedsrichter. Und zur Strafe erhielt der Star mehrere
Punktabzüge.
Gegenüber den Medien erklärte Frau Williams die Vermutung,
der Schiedsrichter hätte bei einem Match unter Männern sicher nicht solche Strafen
ausgesprochen. Und das sei sexistisch. Von Rassismus konnte Williams auch kaum
sprechen, denn ihre Gegnerin war eine vom Schiedsrichter völlig unbehelligte Japanerin.
Sowohl Vorwürfe von Rassismus als auch Sexismus musste
einen Tag später dagegen jedoch ein Karikaturist erleben, der für eine Zeitung in
den USA eine Zeichnung anfertigte, die Frau Williams auf einem Tennisplatz vor
Wut schnaubend darstellte. Mutwillige Konfrontation geht inzwischen (auch) vor jedem Humor.
Erstaunlich, dass in den folgenden Tagen in den „sozialen Medien" keine „MeToo"-Kampagne startete, in der eine Unmenge an Sportlern eingestanden hätte, auch schon einmal verloren zu haben - und jetzt im Nachhinein prompt den Mut gefunden hätten, irgendeine Diskriminierung darin zu erkennen. Doch so ahnen wir jetzt immerhin, warum Schalke 04 in der Bundesliga noch nie Meister wurde.
Erstaunlich, dass in den folgenden Tagen in den „sozialen Medien" keine „MeToo"-Kampagne startete, in der eine Unmenge an Sportlern eingestanden hätte, auch schon einmal verloren zu haben - und jetzt im Nachhinein prompt den Mut gefunden hätten, irgendeine Diskriminierung darin zu erkennen. Doch so ahnen wir jetzt immerhin, warum Schalke 04 in der Bundesliga noch nie Meister wurde.
Man könnte zu Serena Williams eine kleine Parallele sehen zu diesem Fußballspieler
Mesut Özil, der vor einigen Wochen auf eine gewisse Kritik an ihm u.a. mit „Rassismus“-Vorwürfen
konterte. So wurden aus Fußballfans kurzerhand Rechtsradikale,
mutwillig und willkürlich und sämtliche („sozialen“) Medien sprangen darauf an.
Das hat sich in letzter Zeit verbreitet etabliert: bequeme
und einfache „Hashtag“-Denke im Schlagwortmodus, maximal in „Twitter“-Länge.
Wenn das solche Folgen produziert, wäre das bedenklich genug. Doch schlimmer
noch, wenn über diese Folgen genauso kurzgestammelt gedacht und geredet wird.
Dienstag, 28. August 2018
digital konfrontiert
Es scheint in unserer Gesellschaft zunehmend radikal zu
werden. Oder anders gesagt: Ein womöglich ohnehin leichter Hang zur Radikalität
bekommt zunehmend Anlässe, öffentlich angewendet zu werden. Doch vielleicht liegt es auch daran, wie „soziale Medien“ als Öffentlichkeit fungieren.
Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre war ganz schön
was los in Deutschland. Es gab eine Hausbesetzerszene, es gab Demonstrationen
gegen die Stationierung von Mittelstreckerenraketen in Deutschland und demonstrierten
regelmäßig Atomkraftgegner. Das waren offiziell, politisch wie medial: alles „Chaoten“.
So gesehen war es die letzten paar Jahre vergleichsweise
ziemlich ruhig. Es schien, als wäre die Bevölkerung massenhaft narkotisiert
kaum noch von ihrer Couch, ihrem Fernseher und ihrer PlayStation wegzubekommen.
Anlässe hätte es sicherlich ein paar gegeben.
Mit dem Internet und insbesondere mit den „sozialen
Medien“ wurde das ein wenig anders: Jetzt konnte man seine Meinung öffentlich bundes-
und sogar weltweit verkünden, sich massenhaft engagieren und/oder chaotisch
toben, ganz bequem von Zuhause aus, relativ äußerst gefahrlos, mit einem
Sicherheitsabstand so weit die Datenleitung reicht.
Diese Verhinderung und aktive Vermeidung der direkten persönlichen
Auseinandersetzung mit Menschen anderer Meinung hat Folgen. Zumal hierbei nicht
nur bekannterweise sämtliche non-verbalen Signale wie Gestik und Mimik
flachfallen. Es hat sich dazu noch etabliert, die Welt auf ein schnödes „Gefällt
mir“ oder eben nicht zu reduzieren, Daumen hoch oder runter, dazwischen gibt es
nichts.
Wenn man lernt, die Welt durch diese künstlich digitale
Brille wahrzunehmen, wähnt man sich gern auch in einer Welt auf dem
intellektuellen Stand des Kalten Krieges, in der das eindeutig Gute gegen das eindeutig
Böse kämpft. Wobei dummerweise jeder vollauf davon überzeugt ist, zu den Guten
zu gehören.
Freitag, 10. August 2018
gewaltig erhitzt
Das ist mal
wieder typisch. Kaum haben wir mal wieder ein Wetter-Extrem, stürzen sich die
Medien auf den Klimawandel. Mindestens genauso interessant ist jedoch die Art
und Weise, wie das bis zu Otto Normalbürger durchdringt und bei ihm ankommt.
Der
Klimawandel ist ein Paradebeispiel dafür, wie man sich medial mit Problemen
beschäftigt, wenn sie gerade mal auffallen. Und nur so lange, bis es
durchgenudelt ist, und von einem anderen endlich aktuelleren Problem abgelöst
wird. So bleiben wir immerhin schön beschäftigt.
So war etwa
der vergangene Oktober 2017 „der wärmste, seit Beginn der Wetteraufzeichnung“,
wie es immer heißt. Prompt war das natürlich ein Nachweis für die globale
Erwärmung, Treibhauseffekt, Klimawandel, usw. Der Oktober 2016 dagegen war der
kälteste Oktober seit jemals überhaupt, vielleicht mit Ausnahme der Eiszeit, doch
irgendwie ungeeignet, um eine globale Erwärmung zu thematisieren.
Das Ganze ist
mindestens schon einmal typisch für unser „Hashtag“-Zeitalter. Größere
Zusammenhänge und tieferes Hintergrundwissen sind einfach nicht mehr angesagt. Angesagt
ist der Schlagzeilen-Modus, maximal in „Twitter“-Länge, in möglichst simplem
Schwarz-Weiß, um ruckzuck Dafür oder Dagegen sein zu können, in aller
Konsequenz, notfalls radikal.
So auch beim
Thema Klimawandel. Zwar sind sich wohl die meisten durchaus einig, dass zurzeit
ein Klimawandel stattfinden könnte. Doch ein paar davon bezweifeln tatsächlich,
dass die globale Erwärmung „menschengemacht“ sei. Und das, obwohl das doch allgemein
und generell der Konsens der Mehrheit ist. Ist das zu fassen.
Dabei ist
allein schon die Andeutung dieses Zweifels völlig ausreichend, um Reaktionen extrem
übelster Art zu provozieren und mitunter prompt als rechtsradikaler Neo-Nazi
bezeichnet zu werden. Eine mindestens ebenso radikale gedankliche Steilkurve,
die man erst einmal hinbekommen muss.
Eine
Radikalität in ähnlich feindseliger Mentalität, wie Nichtraucher gegen Raucher aufmarschieren
und Vegetarier gegen Fleischesser hetzen. Natürlich gibt es löbliche Ausnahmen.
Doch die Tendenz geht zu einem „Gut gegen Böse“, selbsternannte Weltretter
gegen naive Vollidioten, Schwarz-Weiß-Denken auf „Hashtag“-Niveau.
Nur nach dem
nächsten Terroranschlag haben sich ein paar Wochen lang erst einmal alle
gegenseitig unheimlich lieb und verurteilen jede Art von Abgrenzung und
Ausgrenzung, Gewalt und Radikalität.
Mittwoch, 1. August 2018
hymnisch vermengt
Nun gut. Wir
befinden uns mitten im medialen Sommerloch. Im Normalfall wäre zum jetzigen
Zeitpunkt noch das Thema „Fußball-WM“ in aller Munde. So jedoch befinden wir
uns Dank eines Fußballers nun in einer sommerlichen „Rassismus“- und
„Integrationsdebatte“, dummerweise: bis es keiner mehr hören kann.
Das
Regionalfernsehen des WDR schickte kürzlich ein Reporterteam zu einer
Grundschule, in der man sich verstärkt um Kinder mit so genanntem
„Migrationshintergrund“ kümmern muss. In diesem Fall übernimmt das eine
Lehrerin, die selbst einen solchen hat. Das wäre im Prinzip mindestens höchst
sinnvoll.
Thematischer Aufhänger:
Der Fußballer Mesut Özil, der sich stets beharrlich weigerte, bei Länderspielen
die obligatorische Nationalhymne mitzusingen: Dazu meinte diese Lehrerin, auch sie
selbst würde den Text der Hymne nicht kennen – schon deshalb nicht, weil sie in
ihrem alltäglichen Leben keine Rolle spiele.
Das stimmt
natürlich. Nur die wenigsten Bürger singen nach dem Frühstück oder vor der
Nachtruhe erst einmal die Nationalhymne. Mit erhöhter Wahrscheinlichkeit trifft
das allerdings auch auf die meisten Österreicher, Franzosen und Dänen zu. So
könnte man auch fragen, was der aktuelle „Top10“-Hit, den jeder Zweite auswendig
mitträllert, mit dem Alltag zu tun hat.
Sportliche (Groß-)Ereignisse
sind eben nicht der Alltag. Zu solchen Anlässen kann das gemeinsame
Hymnensingen durchaus eine ebensolche Gemeinsamkeit vermitteln, wie u.a. das
Tragen von Nationaltrikots. Es kann eine Gelegenheit sein, um Gemeinsamkeit zu
demonstrieren. Und Gemeinsamkeit ist doch eigentllich auch das, worum es bei
diesem Thema geht(?).
Gelinde
gesagt etwas „unfair“ jedoch, dass diese Lehrerin den ihr anvertrauten unschuldigen
Kindern ein Video präsentierte. Die Fußballnationalmannschaft vor einem Spiel
im Jahr 1974, und es sang doch tatsächlich nachweislich kein einziger Spieler
die Nationalhymne mit. Der Versuch eines „Siehste“-Effekts mit unterschwelligem
Verweis auf die Kritik am sanglosen Özil.
Ein
Vergleich, der jedoch schlimmer hinkt als ein Fußballer nach einem Foul. Damals
nämlich wirkte immer noch der Zweite Weltkrieg nach. Das Singen der Hymne galt
als nationalistisch-ungehörig. Für die Nationalkicker eingeführt hatte das im
Jahr 1984 der damals neue Teamchef Franz Beckenbauer. Übrigens unter dem Aspekt
des Teamgedankens, der Gemeinsamkeit.
Und dann kamen
noch die guten, alten „deutschen Werte“ zur Sprache. So fragte die Lehrerin rhetorisch,
ob sie denn nur eine gute Deutsche sei, wenn sie den Hymnentext kenne. Es sei
doch viel wichtiger, die deutschen Werte zu teilen. Warum das wichtiger ist,
blieb dagegen ungeklärt. Ebenso, was das nun in Bezug auf diesen Fußballer
Mesut Özil bedeutet.
Özil nämlich ließ
sich bekannterweise fragwürdig mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan
ablichten, der einen mutmaßlich diktatorischen Hang zur Staatsführung hat,
menschenrechtlich äußerst bedenklich. Und wenn Herr Özil selbst nicht
erklärungsbereit ist, wie man das verstehen soll, muss er sich nicht wundern,
wenn seine Wertvorstellungen ersatzweise von anderen interpretiert werden.
Die „deutschen
Werte“. Ich kann nichts dafür, aber mir fällt seit Kurzem dazu immer spontan
dieses alte Zechengelände in Nordrhein-Westfalen ein, das im Rahmen des
Strukturwandels eine neue Bestimmung bekommen sollte. Da gab es heftigste
Auseinandersetzungen zwischen Bürgern, die ein Kulturzentrum haben wollten, und
den anderen, die lieber ein Einkaufszentrum („Spaßmeile“) hätten.
Die „deutschen
Werte“. Schon bei der Frage „Kultur oder Shopping“ driften die deutschen Wertvorstellungen
offenkundig ziemlich auseinander. Und ein Immigrant ist dann integriert, wenn
er die Werte teilt, über die sich „die Deutschen“ selbst nicht einig sind, und
aus reinen Kompromissgründen gezwungen sind, sie staatsbürgerlich mitzuvertreten.
Die „deutschen
Werte“ schwanken schon regionalbedingt bedenklich zwischen Trachten, Sauerkraut
und Schützenverein einerseits, sowie allem möglichen anderen, etwa Schlabberlook,
Currywurst und Kegelklub andererseits. Erfolgreiche Integration ist davon abhängig,
wo ein Immigrant zufällig landet.
Freitag, 27. Juli 2018
integrativ verwertet
Es köchelt
sowieso ständig vor sich hin, das Thema „Rassismus“, immer wieder aufgewärmt,
wenn es politisch und/oder medial gebraucht wird. Und soeben wieder richtig zum
Kochen gebracht – anlässlich eines Fußballturniers und seines Sündenbocks. Man
sollte es nicht glauben.
Unsere
Fußballnationalmannschaft hat kürzlich bei der Weltmeisterschaft ziemlich
peinlich gekickt und ist so blamabel früh ausgeschieden wie nie zuvor. Wie so
oft bei solchen Gelegenheiten wurde prompt ein Sündenbock gesucht. Der Trainer kam
diesmal jedoch nicht dafür in Frage und der Zeugwart eignete sich ebenfalls
kaum.
Optimal
geeignet schien zunächst der Fußballer Mesut Özil, an dessen Leistungen sich
schon ewig die Geister scheiden: Einige sehen in Özil einen genialen
Spielmacher, der extrem ästhetisch die spielstrategischen Fäden zieht. Einige
andere sehen in ihm einen „körper- und schweißlos“ kickenden Mitläufer.
Doch nicht
nur damit hatte Özil für die Rolle des Sündenbocks die besten Voraussetzungen. Dazu
hinzu kam noch ein ziemlich fragwürdiger, politisch pikanter PR-Auftritt. Özil
sparte sich zunächst wochenlang jeden Kommentar zu dem Ganzen, um dann doch
irgendwann „die Rassismus-Karte zu ziehen“, wie es hieß:
Der
Fußballer, in Gelsenkirchen geboren, und nicht einmal mit doppelter, sondern
einfacher deutscher Staatsbürgerschaft, verwies auf seine türkischen Eltern;
weshalb alle Kritik an ihm rassistisch sei. Prompt haben wir eine neu
entflammte mediale Debatte über Rassismus, Integration, etc. Allerdings ohne
Özil, denn der ist gleich wieder medial abgetaucht.
Abgetaucht
mit den Schlussworten: „Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein
Immigrant, wenn wir verlieren“ Man könnte das auch anders sagen: Özil hält sich
selbst für deutsch, wenn er bejubelt wird, und für rassistisch verfolgt, wenn man
ihn kritisiert.
Denn bemerkenswerterweise
spielte Özil seit fast 10 Jahren in der Nationalmannschaft, …offenbar
rassistisch völlig unbehelligt. Ebenso bemerkenswert, dass kein anderer Spieler
mit „Migrationshintergrund“, kein Boateng, Khedira, Rüdiger, nicht einmal
Gündogan, ähnliches beklagt – wo es doch nun kaum eine bessere Gelegenheit
gäbe.
Dumpfbacken,
die von den Tribünen strohdumme, mitunter rassistische Sprüche gröhlen, sich im
Schutz der großen Masse wähnend, hat es ebenso schon immer gegeben, wie
Beleidigungen in Richtung Schiedsrichter. Beides hat in den letzten Jahren
bedenklich zugenommen. Doch man sollte vielleicht nicht genauso dumpf darauf
reagieren.
Sonntag, 22. Juli 2018
leserlich gedacht
Unsere Kultur
ist auf dem besten Weg, den Planeten für Menschen unbewohnbar zu machen. Und
unsere Kultur ist hochgradig technologieversessen. Man darf das beides durchaus
in einem Zusammenhang sehen. Doch leider hat man uns beigebracht, dass HighTech
der ultimative Problemlöser ist.
Es war
einmal… ein gewisser Bill Gates, der die Vision formulierte „a computer on
every desk and in every home“. Zu dieser Zeit hatte man dafür nur ein amüsiertes
Lächeln übrig: Was soll Otto Normalbürger denn bitteschön mit einem Computer?
Das Lachen kann
einem inzwischen nicht nur längst vergangen sein, vielmehr erfolgt es heute bei
der umgekehrten Frage: Wie, bitteschön, sollte unser Lebensalltag ohne den
ganzen Digitalkram überhaupt noch funktionieren?
Der Siegeszug
des Computers ist also vor allem eines: ein glänzender Verkaufserfolg. Man hat
uns äußerst erfolgreich die Idee und Überzeugung verkauft, wie wahnsinnig
nützlich und hilfreich Computertechnologie doch ist.
Auf dieser
Grundlage kann man uns inzwischen nahezu alles unterjubeln, vor allem: als
„Fortschritt“. Zumindest rein technologisch, versteht sich. Die Frage, was das
eigentlich alles soll, wird in diesem HighTech-Trubel weiterhin nicht gestellt.
Ein Paradebeispiel
war kürzlich in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ zu sehen. Als Gästin geladen und
erschienen war unter anderen Frau Miriam Meckel, offenbar auf Werbe-Tour für
ihr Buch „Brainhacking“.
Moderator
Markus Lanz stellte Miriam Meckel vor: „Sie sagen, wir sind heute so weit, wir
können Gedanken lesen!“. Frau Meckel nickt, „Das geht sogar relativ einfach“, und
beschreibt prompt einen Selbsttest in einem Versuchslabor an der Uni Tübingen.
Ganz so, wie das ohnehin jeder schon kennt, ein Proband vor einem Monitor hockend,
eine Elektrodenhaube über den Kopf gezogen, undsoweiter.
Auf dem
Monitor, so Frau Meckel, seien die Buchstaben des Alphabets in einer bestimmten
Anordnung dargestellt: „Ich muss mich dann darauf konzentrieren… nachdem sich
die Software auf mich eingestellt hat, wie mein Gehirn tickt sozusagen, wie es
reagiert, wenn ich ein A denke oder ein D denke, oder so. […] Und jetzt muss
ich mich konzentrieren, auf den Buchstaben, den ich schreiben möchte. Das hat
ein paar Minuten gedauert, aber: es geht!“ Toll. Wenn man die Zeit und Geduld
hat.
Und weiter: „Ich
hab einfach durch Konzentration auf die Buchstaben, ich will ein A schreiben
oder ich will ein I schreiben, habe ich diesen Buchstaben auf den Bildschirm
befordern können“ […] „Und das ist wirklich eine hohe Konzentrationsleistung.
Irgendwann ging die Tür auf, jemand guckte hinein, sagte ‚Entschuldigung‘ und
machte die Tür wieder zu, da war Ende mit Schreiben, bestimmt für eine
Viertelstunde. Keine Konzentration, eine Störung, dann geht nichts mehr.“ Offenbar
dieTücken hochsensibler HighTech.
An der Zukunft
würden „Google“, „Facebook“ und Co. natürlich schon arbeiten, sodass man
irgendwann, so Frau Meckel, „Texte denken kann, eMails denken, SMS denken
[…].Sie liegen auf einem Sofa mit einem Glas Rotwein in der Hand und denken
ihre eMails an ihre Kolleginnen und Kollegen“.
Aber
natürlich. Mit einer Elektrodenhaube auf dem Kopf und in Jogi-Löw-Manier mit
„högschter Konzentration“, gaaaanz langsam, Buchstabe für Buchstabe. Wer das
unbedingt als revolutionäres, technisches „Gedankenlesen“ verstehen möchte, der
scheint seine Gedanken wohl üblicherweise einzeln zu buchstabieren.
Vor lauter
blinder Begeisterung gegenüber dem scheinbar technisch Machbaren und Möglichen
schmilzt jede annähernd kritische Haltung dahin. Nicht nur in Bezug darauf, was
uns da wieder einmal völlig sinnfrei als „Fortschritt“ untergejubelt werden
soll – sondern auch. verkauft.
Samstag, 16. Juni 2018
redselig gesimpelt
Wissenschaftler
können uns so ziemlich alles erzählen. Und das tun sie auch. Eigenes Denken ist
dabei gar nicht mehr nötig. Es ist allerdings auch nicht erwünscht. Wehe, man
stellt infrage, was Wissenschaftler von sich geben. Ein Phänomen zwischen
Populismus und Demogredseligogie.
Unsere Kultur
ist ganz erstaunlich verblendet wissenschaftshörig. Deshalb gilt es auch als –
wortwörtlich – ungehörig, auch nur den Hauch von Skepsis an dem zu äußern, was
Wissenschaftler sagen. Das ist leicht paradox, wo doch gerade der Zweifel das
Fundament aller Wissenschaft ist.
Dieser
Unantastbarkeit liegt eine ganz raffiniert konstruierte Scheinlogik zugrunde:
Der Laie hat eben schlicht und keine Ahnung. Und wenn er in all seiner
Unwissenheit trotzdem denkt, kommt dabei natürlich zwangsläufig Unsinn heraus –
gegenüber Wissenschaftlern, die zweifellos richtig denken. Weil sie
Wissenschaftler sind. Punkt.
Eine
hochinteressante Rolle spielen dabei immer wieder Astrophysiker. Also Wissenschaftler,
die theoretisch am Urknall herumdenken, an Schwarzen Löchern und der mystischen
Dunklen Materie. Gerade die nämlich scheinen sich besonders berufen zu fühlen,
uns – jenseits ihrer Astrophysik – über alles Mögliche zu belehren.
Einer davon
war etwa Stephen Hawking, der noch kurz vor seinem Tod verkündete, Klimawandel,
Epidemien und Bevölkerungswachstum könnten der Menschheit in 100 Jahren den
Garaus machen. Ein Astrophysiker als Klimaforscher, Mediziner und
Soziodemograph in Personalunion. Und so etwas macht niemanden skeptisch.
Ähnliches
vollführen auch die beiden deutschen Astrophysiker Ranga Yogeshwar und Harald
Lesch, omnipräsent u.a. als TV-Moderatoren, Talkgäste und Vortragsredner, weil
scheinbar multikompetent für sämtliche Lebensfragen. Und auch das macht
niemanden ansatzweise skeptisch.
Letzterer,
Harald Lesch, ist ohne Frage rhetorisch und didaktisch äußerst begabt,
bezeichnet sich selbst als „Rampensau“, ist beeindruckend leidenschaftlich engagiert
in der Problematik des (nach seiner vollen Überzeugung: zweifellos
menschengemachten) Klimawandels. Diese Mischung ist allerdings insgesamt
fragwürdig.
So prangert
Lesch alle möglichen Missstände gnadenlos in aller Schärfe an: politische,
wirtschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche. Jedoch: Der gute Mann ist
Astrophysiker! Natürlich dürfte Lesch als besorgter, nachdenklicher Bürger
seine Meinung äußern. Doch das tut er eben nicht. Er tut das als
Wissenschaftler! Als solcher wird er schließlich überall eingeladen und engagiert.
Und wenn das
so ist, dann sollte man dessen waghalsige Kompetenzüberschreitung weit hinaus über
die Astrophysik infrage stellen. Doch genau deshalb wird Harald Lesch ebenso
wie Ranga Yogeshwar auch als „Wissenschaftsjournalist“ bezeichnet. Das heißt:
Die beiden lesen unheimlich viel über andere Wissenschaften – und: reden
darüber. Vor allem: letzteres.
Freitag, 1. Juni 2018
pflichtig beschult
Am letzten
Schultag vor den Pfingstferien machte die Bundespolizei in Bayern an den
Flughäfen München, Nürnberg und Memmingen Jagd. Nicht auf Terroristen, sondern
auf Eltern, die ihre Kinder illegal schulschwänzen ließen, um billiger in
Urlaub fliegen zu können.
Eltern sind
zwar erziehungsberechtigt, doch deshalb können sie natürlich nicht willkürlich
über ihre eigenen Kinder verfügen. Etwa, indem sie ihren Nachwuchs in der
Schule als erkrankt entschuldigen, nur um in Wirklichkeit einen Tag früher in
die Ferien starten zu können. Das ist strikt verboten.
Wo kämen wir
da auch hin. Schließlich gibt es in Deutschland eine Schulpflicht. Und die gilt
auch für den letzten Schultag, selbst wenn nichts stattfindet, das auch nur
annähernd mit Unterricht zu tun hat. Das sollte man keinesfalls einreißen
lassen.
Deshalb betrifft
die Pflicht zur Beschulung im offenen Vollzug einer geschlossenen Lehranstalt
weniger die Kinder als viel(-)mehr die Eltern. Im Gegensatz zu den Kindern nämlich
werden die Eltern bei einem Pflichtverstoß richtig bestraft, mit Strafanzeige
und Bußgeld.
Dabei wird
die Schulpflicht gern fahrlässig gleichgesetzt mit einer Art generellen Bildungspflicht.
Wenn es die nicht gäbe, würde schließlich kaum ein Kind freiwillig zur Schule
gehen, schon gar nicht tagtäglich regelmäßig. Das Resultat: Eine verdummte Generation.
Und das dürfen wir keinesfalls riskieren.
Vielleicht
ist das aber auch der falsche Denkansatz. So gibt es, zum Beispiel, keine Vereinspflicht
für Kinder, zwangsweise verpflichtend organisiert Sport zu treiben – und
trotzdem gehen Schulkinder mehrmals die Woche zum Training, freiwillig und
regelmäßig, selbst wenn es anstrengend sein kann.
Vielleicht
sollte man – „ganz einfach“ – Schule von Zwang befreien. Und darauf hinwirken,
dass Kinder die Lernfreude empfinden, die man ihnen per verordnetem Beschulungszwang
genommen hat. Doch selbst dagegen gibt es garantiert Vorbehalte und
Widerstände.
Mittwoch, 23. Mai 2018
gefährlich intelligent
In der
Sendung „Monitor“ des Ersten Deutschen Fernsehens wurde kürzlich über „Killer-Roboter:
Töten ohne Gewissen?“ berichtet. Natürlich ging es um das aktuelle Dauertrendthema
„künstliche Intelligenz“. Unbedingt! Man will es uns doch unbedingt zwangsweise unterjubeln. Unbedingt!
Auf der
Website des TV-Magazins wurde die vermeintlich maschinelle „Intelligenz“ immerhin
in An- und Abführung gesetzt. Das ist in dem dazugehörigen filmischen Bericht natürlich nicht möglich. Mindestens dadurch werden die Aussagen
gehörig windschief.
In der schriftlichen
Beschreibung zum Bericht heißt es: „Sie (Anm.: „intelligente“ Waffensysteme) navigieren,
überwachen und können selbstständig zielen – und sie werden die Zukunft der
Kriegsführung radikal verändern. Was aber bedeutet es, wenn künftig Algorithmen
die Entscheidung über Leben und Tod treffen?“
Und aus dem
Fernseher sprach es: „(Waffensysteme) gesteuert von künstlicher Intelligenz,
also von Computern, die immer intelligenter werden. Sie treffen immer mehr
Entscheidungen selbst“. Ist das nicht erschreckend. Und es scheint doch immer
bedrohlicher zu werden.
Um mich selbst aus meinem Buch [ WIRKUNG! ] zu zitieren: So viele Anführungszeichen, wie man
in dieser Thematik bräuchte, stehen einem fast gar nicht zur Verfügung. Das
Wörtchen „intelligent“ im Zusammenhang mit Maschinen sollte hier nämlich bei weitem
nicht das einzige sein.
Maschinen „navigieren“
nicht, sie „überwachen“ nicht, „zielen“ nicht und sie treffen erst recht keine Entscheidungen.
Das alles sind Begriffe, die aus dem Menschlichen kurzerhand freihändig auf
etwas übertragen wird, das davon nicht nur Lichtjahre entfernt, sondern etwas gänzlich
anderes ist.
Wie meinte
kürzlich der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger: „Algorithmen
bestimmen zunehmend über unser Leben. In Deutschland fehlt es an
grundsätzlichem Wissen über den digitalen Wandel“. Sicher. Allerdings müsste
man auch dringendst mit anderen Worten anders davon und darüber reden.
algorithmisch angepasst
Das Trara um
irgendwelche Algorithmen geht mir allmählich richtig auf den Keks. Ein
Geblubber und Gequake darum, welcher Konzern mal wieder was und wie an seinem
Algorithmus geändert hat oder nicht: Man ist nicht nur digitalen Gurus hörig.
Es ist noch schlimmer.
In den
Anfängen des Internet durchsuchten Suchmaschinen die Masse der Websites noch
anhand von so genannten „Keywords“. Also
Schlüsselworte, die auf Seiten auftauchten, die dem Suchbegriff entsprechen. So
einfach ist das schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, dafür jedoch angeblich: hochoptimiert.
Irgendwann
nämlich fegte „Google“ alle Konkurrenz quasi vom Markt, indem dessen
Suchfunktion permanent „optimiert“ wurde. Das Zauberwort: Algorithmus. Eine
Methode, alle Suchkriterien auf magische Weise in Zahlen umzuwandeln, und mit
diesen Zahlen irgendeine Relevanz zu berechnen.
Das war dann
auch die Geburtsstunde von „SEO“: Die Optimierung von Websites für
Suchmaschinen. Genauer gesagt: für eine davon, nämlich „Google“. Das Ziel: In
Ergebnislisten „möglichst weit oben zu stehen“. Agenturen, die dieses
Versprechen verkauften, schossen wie Pilze aus dem Boden.
Schließlich
klicken die Menschen immer nur einen der Links auf der ersten Ergebnisseite an,
nicht wahr. Ganz so, wie es in früheren Zeiten der Printwerbung immer hieß, eine
Werbeanzeige müsse optimalerweise auf der rechten Seite platziert sein, weil
man die beim Umblättern zuerst vor Augen hat.
So herrscht inzwischen
ein regelrechtes Gehechel und Gegeifer, seine Website – bzw das, was man zu
sagen hat, bzw: sich selbst – bestmöglich anzupassen. Und zwar an das, was
„Google“ bitte haben möchte. Je nach neuestem Algorithmus. Das hat sich
etabliert und maximal ausgeweitet:
Von „Amazon“
über „Facebook“, „Twitter“, „Instagram“ und „YouTube“ bis „Spotify“. Alle diese Konzerne haben
ihren Algorithmus und alle braven Nutzer sind dem in Hörigkeit ergeben, um „ganz
weit oben zu stehen“, auf der Jagd nach „Likes“, „Followern“ und „Abonnenten“. Alle
im gleichförmigen Brei der Masse unter- und miteinander vermengt :
Dabei finden übrigens auch digitale Partnerschaftsvermittlungen („Dating Portale“) sowie Beurteilungen von Bewerbern in Personalabteilungen, selbst Krankheitsdiagnosen durch mathematische Programmierung von Algorithmen statt. Alles Einsatzbereiche, die sich durch die immerselbe Prozedur scheinbar automatisieren lassen.
Diese
Algorithmus-Hörigkeit offenbart „den“ Mythos unserer hochmodernen Zivilisation:
Der Glaube, menschliches Denken, Verhalten und Handeln ließe sich problemlos in
Zahlen fassen – und schließlich mittels hochpräziser Logik und cleverer Formeln
berechnen und kalkulieren.
Wie man quer
durch unsere digitalisierte Welt sehen kann, funktioniert das in hohem Grad tatsächlich.
Weil alle daran glauben.
Samstag, 19. Mai 2018
nervig beschützt
Seit ein paar
Wochen herrscht größte digitale Aufregung. Die EU hat in bekannt überbürokratischer
Manier eine neue Verordnung erlassen, wie persönliche Daten zu schützen sind. Ab
Mitte Mai ist man nun beschützter denn je. Ob man will oder nicht.
Als geneigter
Leser meiner Beiträge hier im Bildungsblog oder auch auf meiner „Facebook“-Seite
wissen Sie, dass ich liebend gern grundsätzliche Fragen stelle. Auch auf die
Gefahr hin, dass auf Anhieb nicht ganz oder gar nicht verstanden wird, was ich damit überhaupt in
Frage stellen will.
Wenn etwa seit
mehreren Jahren, insbesondere seit der Etablierung der „Sozialen Netzwerke“, darüber
diskutiert wird, wie enorm wichtig und schützenswert unsere persönlichen Daten
sind, sei einfach einmal gefragt: Was ist das eigentlich? Was genau ist ein
persönliches Datum?
Wenn man diesen
Singular von „Daten“ verwendet, fällt einem rein sprachlich vor allem das
Geburtsdatum ein. Gehört mein Geburtsdatum zu meinen ganz persönlichen Daten,
auf die ich ein verbrieftes Recht habe? Und was ist dann mit all den anderen
Menschen weltweit, die am selben Tag geboren wurden? Teilen wir uns alle dieses Recht? Oder wie?
Doch angeblich
liegt das Problem gar nicht bei solch einzelnen Daten, sondern besteht aus
deren Verbindung: Mein Geburtsdatum zum Beispiel in Verbindung mit meinem
Geburtsort, womöglich in weiterer Verbindung mit z.B. Augen- und Haarfarbe erhöht
die Möglichkeit, mich persönlich in einer Masse auffindbar(er) zu machen. Wenn man das unbedingt möchte.
Ganz zu
schweigen, das alles auch noch in Verbindung mit so genannten „Bewegungsdaten“,
wann ich mich wo wie lange aufgehalten habe, in Verbindung mit Konsumdaten, was ich und wann wo gekauft habe und/oder beides sogar in irgendeiner Regelmäßigkeit. Mag
sein, dass ein solches Szenario irgendwann einen kritischen Punkt erreicht.
Solche Daten sind auf dem Datenmarkt eine Menge Geld wert. Man meint, durch das Sammeln, Verbinden und Auswerten von Daten etwas über Menschen zu „wissen" und sie auf irgendeine Weise zu „kennen". Dieser Mythos hat um sich gegriffen. Und der Glaube daran ist deutlich größer als jeder Hauch eines Willens, das einmal in Frage zu stellen.
Solche Daten sind auf dem Datenmarkt eine Menge Geld wert. Man meint, durch das Sammeln, Verbinden und Auswerten von Daten etwas über Menschen zu „wissen" und sie auf irgendeine Weise zu „kennen". Dieser Mythos hat um sich gegriffen. Und der Glaube daran ist deutlich größer als jeder Hauch eines Willens, das einmal in Frage zu stellen.
Doch bei
allem gewaltigen Brimborium, bei dem Tara um Datenschutz und all den nervigen
Belehrungen, wie vorsichtig wir bei der Preisgabe unserer Daten sein sollen…mal
ganz naiv gefragt: Warum wird dann die Auswertung und insbesondere der Handel
mit Daten nicht einfach verboten?
Dienstag, 15. Mai 2018
zukünftig unmenschlich
Wenn es um
unsere penetrant prognostizierte Zukunft geht, sind wir bald umgeben von
menschenähnlichen Robotern und lassen uns von „autonomen“ Fahrzeugen von A nach
B chauffieren. Zum Beispiel. Der Haken an der Sache ist allerdings: der Mensch
als solcher.
Hat es Sie
auch schon (oder etwa: noch nicht) leicht erstaunt, mit welcher Hartnäckigkeit
an einer ganz bestimmten Zukunftsvision gebastelt wird? Welch enorme Energie z.B.
in Alltagsroboter und selbstfahrende Autos investiert wird? Man will uns das
offenbar unbedingt aufzwingen.
Dabei hat
eine kürzliche Umfrage ergeben, dass angeblich gerade einmal 8 Prozent der
Deutschen tatsächlich ein „autonomes“ Kraftfahrzeug besitzen wollen würden. Am
wenigsten wohl die jungen Erwachsenen, die dann bei ihren nächtlichen innerstädtischen
illegalen Autorennen sicher deutlich weniger Spaß hätten.
Eine immer
größer werdende Menge Jugendlicher dagegen will weder-noch und überhaupt gar kein
Auto mehr besitzen. Dazu meinte ein Manager eines Automobilherstellers: „Wir
müssen das Auto besser vernetzen“. Sieh an. Wenn Vernunft um sich greift, wird
sie eben sabotiert und ausgehebelt. Der Wirtschaft zuliebe.
Auf solche
Weise wird uns völlig sinnloser Digitalkram aufgezwungen. Mich hat jedenfalls
niemand gefragt, ob ich Briefmarken- und Leergutautomaten haben möchte, die mit
mir „kommunizieren“, beginnend mit „Bitte wählen Sie Ihre Sprache“ Früher hieß
es einmal, Computer führen Befehle aus. Inzwischen geben sie sie.
Ich
persönlich habe auch keinerlei Interesse daran, mit einer „intelligenten“
Kaffeemaschine Diskussionen zu führen, ob ich noch ein Tässchen haben darf. Doch
wie es scheint, ist es vorläufig unausweichlich.
Montag, 30. April 2018
unbedingt verarbeitet
Pünktlich zum
bevorstehenden „Tag der Arbeit“ muss offenbar unbedingt wieder das „Bedingungslose
Grundeinkommen“ (BGE) aus der Themenschublade gekramt werden. Und wie gewohnt klammert
man sich dabei an Altgewohntes. Notwendige Veränderungen hin oder her:
Hauptsache, alles bleibt, wie es ist.
Der Philosoph
Richard David Precht meint, ein BGE würde – endlich – ermöglichen, dass sich
Menschen losgelöst vom Arbeitszwang voll und ganz ihrer Selbstverwirklichung widmen
könnten – und ist u.a. deswegen ein Befürworter des BGE.
Genau damit
jedoch bedient Precht unfreiwillig sehr kontraproduktive Klischées und
Glaubenssätze auf Seiten der BGE-Gegner. Demnach nämlich ist das BGE in erster
Linie für arbeitsscheue Faulpelze eine tolle Sache und quasi noch eine
„Belohnung für Faulheit“. Und das kann natürlich nicht sein.
Das ist nicht
gerade rational gedacht, sondern deutlich zu kurz. Doch wer den Mythos Arbeit
so als Überzeugung in seinem Kopf festsitzen hat, für den hat jetzt die SPD die
Mogelpackung eines „soldarischen Grundeinkommens“ gebastelt, statt eines
bedingungslosen – vor allem, um als Partei irgendwie den „Hartz IV“-Makel
loszuwerden.
Manch ein
vermeintlicher Experte sieht das BGE als Auffangnetz für Menschen, die
unverschuldet durch die Digitalisierung keinen Job mehr bekommen. Denn das
werden schließlich immer mehr: Rund 50% der heutigen Arbeitsplätze drohen in
den nächsten Jahren ersatzlos wegzufallen.
Aber: nein!
Alles falsch. Das Schicksal des Einzelnen interessiert die Politik ohnhin erst
und nur dann, wenn viele, viele Einzelne zu einer Masse werden, etwa an
Wahltagen. Und was sollte es Müller schon interessieren, ob Nachbar Meier ein BGE
bekommt? Müller bekommt es selbst schließlich auch.
Der eigentliche
Knackpunkt ist ein ganz anderer. Unsere gesamte Gesellschaft steht vor einem
Kollaps. Denn unsere Gesellschaft ist eine Konsum-Gesellschaft, die nicht mehr
funktioniert, wenn mangels Einkommen kaum noch konsumiert werden kann. Die
Menschen müssen auch völlig Überflüssiges sinnlos konsumieren können.
Anders gesagt:
Wenn (Millionen) Menschen nur noch am Rande des Existenzminimums dahin
vegetieren, und nicht genügend Geld „übrig“(!) haben, um zu konsumieren, dann bricht
die Konsumgesellschaft zusammen. Und das dürfte deutlich problematischer
werden, als Einzelne „für Faulheit zu belohnen“.
Montag, 2. April 2018
sozial erschüttert
Eine Welt ohne „Facebook“, „Google“, „YouTube“ &
Co. Für die jüngere
Generation kaum vorstellbar. Doch in relativ kurzer Zeit konnten wir gleich
zwei Mal erahnen, wie diese zeitgeistigen „Sozialen Medien“ ihr klägliches Ende
finden werden.
Anfang des
Jahres sprach der Marketingvorstandschef von „Unilever“, Keith Weed, auf einer
Werbekonferenz in Kalifornien: „Unilever wird nicht auf Plattformen werben, die
zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen und den Jugendschutz vernachlässigen.
Fragwürdige Inhalte schaden dem sozialen Vertrauen, den Nutzern und der
Demokratie“.
Das war eine
glatte Drohung. Denn das jährliche Marketing-Budget des
britisch-niederländischen Unternehmens beträgt angeblich rund 9,8 Milliarden
Dollar, wovon rund ein Viertel auf „Soziale Medien“ verteilt sind. Und das… ist
eben nur einer von vielen Konzeren. Und damit erst der Anfang.
Und nun,
knapp drei Monate später, ist es ein Datenskandal um „Facebook“, der einige
Großkonzerne veranlasst hat, ihre Werbung sofort zu stoppen und ihre Profile
vorerst stillzulegen. Eine weitere kleine Machtprobe, die aus (u.a.) „Facebook“
plötzlich ein ohnmächtiges, kleines, abhängiges Lichtlein macht.
Im November
2017 froren u.a. die Deutsche Bank, Adidas und Mars ihre Werbung bei „YouTube“
ein, als sich dort fragwürdige, radikale und Gewalt-Videos anhäuften. „YouTube“
wiederum ist eine „Google“-Tochter. Und bei diesen beiden ist es kaum anders
als bei „Facebook“, das sich zu 98% aus Werbegeldern finanziert. Genau so und
genau deshalb werden diese Noch-„Riesen“ irgendwann in einem Wölkchen aus
Nullen und Einsen verpuffen.
Das Ganze „Soziale“
ist schließlich nichts weiter als ein Geschäftskonzept und reines Business. Und
sonst gar nichts. Sobald damit nichts mehr zu verdienen sein wird, hat es sich
mit dem „Sozialen“ erledigt. Und dann wird sich die Generation der „Digital
Natives“ plötzlich im digitalen Vakuum wiederfinden und nicht wissen, wohin mit
ihren Videos und Selfies.
Wir werden uns
auch daran gewöhnen. Jedenfalls ist hier kein Untergangsszenario gemeint,
sondern man kann sehr gespannt sein, was auf die „Sozialen Medien“ folgen wird.
Dioch sicherlich wieder nichts, das man sich aus unserer digitalen Gegenwart kurzerhand in
die Zukunft denkt.
Mittwoch, 28. März 2018
zwanghaft erkrankt
Im Grunde ist es kaum zu fassen, wie die Bevölkerung grob fahrlässig desinformiert und fehlgebildet wird, und das sogar auch noch öffentlich-rechtlich. Natürlich ist das in der Regel keine Absicht, sondern gut gemeinter Journalismus. Was das Ganze jedoch kaum erträglicher macht.
In einem Nachrichtenmagazin des WDR-Fernsehens sah man offenbar die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit über die so genannte „Prokrastination“ aufzuklären. Wer auch immer die verantwortlichen Journalisten auf diese Idee gebracht und auf dieses Thema gestoßen hat.
Prokrastination ist etwas, das im Volksmund „Aufschieberitis“ genannt wird. Also eine glatte Zuwiderhandlung gegen die Weisheit „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ – und: es ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie aus einem Allerweltsproblemchen eine bösartige Krankheit gebastelt wird.
Der Bericht beginnt mit den Worten: „Prokrastination, so heißt diese Krankheit […]“. Jedoch: Leider falsch. Wenn man das überhaupt mutwillig als „Krankheit“ betrachten will, dann heißt sie mitnichen so, sondern sie wurde nach ihrer Erfindung so genannt. Das sind mindestens zwei Paar Schuhe.
„Prokrastination“, heißt es weiter, „kommt aus dem Lateinischen […]“. Und auch das: leider falsch. Dieser Begriff „kommt“ nicht etwa aus dem Lateinischen, weil er im Lateinischen gar nicht existiert, sondern man hat ihn aus lateinischen Wörtern zusammengebastelt, weil das krankhafter und bedrohlicher klingt als „Aufschieberitis“.
Und tatsächlich wird einem sodann erzählt: „Aufschieben kann sogar krankhaft werden, jeder zehnte Deutsche soll betroffen sein“. Prompt wird die „Prokrastinationsambulanz“ in Münster vorgestellt und ein dortiger Psychologischer Psychotherapeut dazu befragt. Das ist mal ein Service.
Schätzungsweise werden Hunderte von Zuschauern gleich einen Tag nach diesem Bericht zum Arzt gelaufen oder gleich nach Münster gefahren sein, weil sie sich unversehens betroffen fühlen: „Herbert, du wolltest doch schon vorgestern das Bild an die Wand hängen! Vielleicht bist du ja krank.“
Wobei von diesem Psychologische Psychotherapeuten zu erfahren ist, dass eine Therapie in Gruppentrainings oder in Einzelberatungen stattfindet, bei zwischen 5 oder 7 Therapiesitzungen. Er hat in diesem öffentlich-rechtlichen Werbespot nur vergessen zu erwähnen, was das kostet. Doch das erfährt man schließlich, wenn man nachfragt.
In einem Nachrichtenmagazin des WDR-Fernsehens sah man offenbar die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit über die so genannte „Prokrastination“ aufzuklären. Wer auch immer die verantwortlichen Journalisten auf diese Idee gebracht und auf dieses Thema gestoßen hat.
Prokrastination ist etwas, das im Volksmund „Aufschieberitis“ genannt wird. Also eine glatte Zuwiderhandlung gegen die Weisheit „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ – und: es ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie aus einem Allerweltsproblemchen eine bösartige Krankheit gebastelt wird.
Der Bericht beginnt mit den Worten: „Prokrastination, so heißt diese Krankheit […]“. Jedoch: Leider falsch. Wenn man das überhaupt mutwillig als „Krankheit“ betrachten will, dann heißt sie mitnichen so, sondern sie wurde nach ihrer Erfindung so genannt. Das sind mindestens zwei Paar Schuhe.
„Prokrastination“, heißt es weiter, „kommt aus dem Lateinischen […]“. Und auch das: leider falsch. Dieser Begriff „kommt“ nicht etwa aus dem Lateinischen, weil er im Lateinischen gar nicht existiert, sondern man hat ihn aus lateinischen Wörtern zusammengebastelt, weil das krankhafter und bedrohlicher klingt als „Aufschieberitis“.
Und tatsächlich wird einem sodann erzählt: „Aufschieben kann sogar krankhaft werden, jeder zehnte Deutsche soll betroffen sein“. Prompt wird die „Prokrastinationsambulanz“ in Münster vorgestellt und ein dortiger Psychologischer Psychotherapeut dazu befragt. Das ist mal ein Service.
Schätzungsweise werden Hunderte von Zuschauern gleich einen Tag nach diesem Bericht zum Arzt gelaufen oder gleich nach Münster gefahren sein, weil sie sich unversehens betroffen fühlen: „Herbert, du wolltest doch schon vorgestern das Bild an die Wand hängen! Vielleicht bist du ja krank.“
Wobei von diesem Psychologische Psychotherapeuten zu erfahren ist, dass eine Therapie in Gruppentrainings oder in Einzelberatungen stattfindet, bei zwischen 5 oder 7 Therapiesitzungen. Er hat in diesem öffentlich-rechtlichen Werbespot nur vergessen zu erwähnen, was das kostet. Doch das erfährt man schließlich, wenn man nachfragt.
Dienstag, 20. März 2018
beruflich gefährdet
Manchmal
fragt man sich, ob man absichtlich über- und fehl- und desinformiert wird, und sich
irgendwo irgendwer einen Heidenspaß daraus macht. Oder ob das lediglich der
Zeitgeist ist, an den man sich erst noch gewöhnen muss. Wie auch immer: das
Problem bleibt am Ende an Otto Normalmensch hängen.
Kürzlich wurde
im regionalen Fernsehen des WDR berichtet und beklagt, dass wir in Deutschland inzwischen
viel zu wenig Lastkraftwagenfahrer hätten. Der Deutsche Speditions- und
Logistikverband DSLV spricht von zurzeit 45.000 fehlenden Brummifahrern und
sieht die allgemeine Versorgungssicherheit gefährdet.
Diese Meldung
lief unter dem Stichwort „Fachkräftemangel“. Sieh an. Da meinte man doch fast, der
simple Besitz eines Lkw-Führerscheins würde als Qualifikation ausreichen, und das
Be- und Entladen würde quasi zwangsläufig nebenher anfallen. Von wegen. Ein Lkw-Fahrer
ist eine Fachkraft. Man lernt doch nie aus.
Da erstaunt
es fast, dass das weder Kindern noch Eltern über die Schulbildung nahe gebracht
wird. Eifrige Eltern fördern ihre Sprösslinge, was das Zeug hält, und peitschen
sie auf’s Gymnasium, aber doch in der Regel nicht gerade, damit der Bengel am
Ende Lkws quer durch Deutschland fährt. Fachkraft hin oder her.
Und wenn
Politiker penetrant ihr Mantra von „mehr Bildung“ herunterbeten und die Schulen
zwanghaft volldigitalisieren wollen, dann ist das meines Wissens noch nie damit
begründet worden, dass wir in unserer Bildungsrepublik doch schließlich mehr
Lkw-Fahrer bräuchten. Unsere Versorgungssicherheit sieht man wohl an ganz
anderen Stellen stattfinden.
Dem gegenüber
hat soeben die Bertelsmann-Stiftung freihändig hochgerechnet, dass bis zum Jahr
2030 rund 500.000 Vollzeit-Pflegestellen unbesetzt bleiben sollen, und daher die
Versorgung pflegebedürftiger Menschen auf dem Spiel stünde. Nur deshalb, weil die
junge Generation einen solchen Job ebenso unattraktiv findet, wie etwa den
ganzen Tag Lkw zu fahren.
Und auch
hier: Posaunt denn etwa alles „Mehr Bildung!“ und werden Eltern wie Kinder etwa
auf das Gymnasium, Abitur und Studium getrimmt, um dann als Pflegekraft zu
arbeiten? Frau Doktor füttert gerade eine Seniorin, während Herr Doktor unten
auf der Straße seinen Lkw belädt.
Freitag, 16. März 2018
halbgar geleistet
Und schon
wieder beglückt man uns ungefragt mit einer neuen Bildungsstudie. Diesmal ist
es der Versuch eines „Leistungsvergleiches“ von privaten gegenüber öffentlichen
Schulen. Infragestellen sollte man dabei vielleicht die Leistung des
durchführenden Experten-Teams.
Wie immer,
hängt das Ergebnis von Studien zum Großteil von der Fragestellung ab. Also
davon, was man dadurch eigentlich geklärt haben möchte. In diesem Fall basiert
die Forscherei auf der Annahme, dass Kinder auf Privatschulen „in den Genuss
einer höherwertigen Bildung“ kämen. Aha.
Na, wenn das
nicht mal ein triviales Klischée ist, dem die Experten da folgen. Womöglich
deshalb, weil Privatschulen von den Eltern ganz privat bezahlt werden müssen,
während die Bildung an öffentlichen Schulen grundsätzlich umsonst ist, zuweilen
im doppelten Sinne.
Erschwerend
hinzu kommt, dass einerseits – wie eigentlich immer – nicht geklärt wird, was
unter „Bildung“ (geschweige denn einer „höherwertigen“) genau zu verstehen sein
soll. Dagegen ist andererseits der Begriff „Leistung“ für den
„Leistungsvergleich“ exact festgelegt worden…
Lesen,
Zuhören und Rechtschreibung im Fach Deutsch, Lese- und Hörverstehen im Fach
Englisch, sowie die obligatorische Mathematik. Das ist, was bei Kindern unter
„Leistung“ verstanden, erwartet und verglichen wird. Doch überraschenderweise
sind Schüler auf Privatschulen hierin gar nicht besser als auf öffentlichen.
Prompt kämen die Experten dann auch
auf ein anderes Ergebnis. Dumm natürlich, wenn man Werte nicht wirklich als „Leistung“ betrachtet. Noch dümmer - für solche Studien - dass man das nicht bepunkten und bewerten kann. Dem entsprechend bleibt das außen vor und werden wir mal wieder mit halbgaren „Erkenntnissen“ beglückt.
Dienstag, 27. Februar 2018
luftig verdreht
Wissen Sie
noch: Welch Aufregung damals im Jahr 2015, als bekannt wurde, dass verschiedene
Automobilhersteller den Schadstoffausstoß trickig manipulierten. Genauer: Nicht
den Ausstoß an sich, sondern Messwertangaben. Und jetzt, drei Jahre später,
spricht plötzlich alles und jeder von Stickstoffdioxid.
Es scheint,
als ob man immer mehr Humor benötigt, um das Alltagsleben einigermaßen
unbeschadet zu überstehen. Da ist es irgendetwas zwischen schade und grob
fahrlässig, dass Humor nicht als Teil der Bildung verstanden wird. Doch „der
Ernst des Lebens“ wird schließlich nicht grundlos so genannt.
Kürzlich
musste ich einen Werbespot miterleben, über den ein Kredit zu sagenhaften -0,5%
(also: minus!) Zinsen angepriesen wird: „Sie bekommen 1000 Euro und zahlen nur
972 zurück“. Wer sich ein bisschen auskennt, amüsiert sich darüber, dass die
Bank einem natürlich nicht 28 Euro schenkt, sondern 972 kassiert. Doch so etwas
ist schließlich als Werbung voll legitimiert, sogar mitten im
Bildungszeitalter.
Irgendwie so
ähnlich ist das gerade mit dem Getöse um das Reizgas Stickstoffdioxid, das (unter
vielen anderen) aus den Auspuffen in unser aller Atemluft gepustet wird. Und
wie gefährlich das ist! Jährlich 6.000 Menschen sterben daran. Angeblich. Wie auch
immer man das gezählt haben will.
Jedenfalls
wären das glatt doppelt so viele Tote, wie angeblich jährlich durch
Passivrauchen sterben. Und das hatten etliche Bürgerinitiativen angeprangert,
und mit Bürgerbegehren umfangreiche Rauchverbote durchgesetzt. Die generelle
Luftverpestung scheint man dagegen lieber den Politikern zu überlassen.
Wundersam
jedoch, was man sich ausgerechnet auf diese Stickoxide stürzt und über
Fahrverbote von Dieselfahrzeugen diskutiert. Schließlich befindet sich da noch
einiges andere in der frischen Luft: Ammoniak, Schwefeldioxid und Feinstaub,
sowie ein paar Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber.
Alleine aufgrund von Baustellen(fein)staub sterben angeblich allein in Los Angeles jedes Jahr 700 Menschen, sagen Forscher an der University of California. Für woanders in der Welt hat das noch nicht einmal jemand untersucht. Doch weit und breit niemand, der Baustellen verbieten will.
Alleine aufgrund von Baustellen(fein)staub sterben angeblich allein in Los Angeles jedes Jahr 700 Menschen, sagen Forscher an der University of California. Für woanders in der Welt hat das noch nicht einmal jemand untersucht. Doch weit und breit niemand, der Baustellen verbieten will.
Samstag, 6. Januar 2018
ruhelos verforscht
Na, das Jahr
fängt ja gut an. Gleich am Anfang des Jahres, gleich Anfang Januar muss man in einem Nebensender des ZDF eine Dokumentation über den September miterleben: den 11. September 2001,
World Trade Center; damals, Sie wissen schon. Das Ganze wegen etwas, das wir
alle noch nicht wussten.
Unter anderem
werden die neuesten Erkenntnisse eines Mr Frank Greening erklärt. Den Mann ließ
eine Frage einfach keine Ruhe: Warum konnten die Türme so schnell einstürzen?“.
Wie es hieß: „Greening setzt sich ein Ziel: Er will eine zweifelsfreie
Erklärung finden, um die Verschwörungstheorien zu widerlegen. Also beginnt er,
zu rechnen. Die mathematische Herangehensweise soll endgültige Antworten
liefern“.
Das ist wieder
typisch und weist wieder einmal nach, wie recht ich doch habe: Wir leben
gedanklich im Mittelalter. Galileo Galilei; Isaac Newton und so weiter: Nur die
Mathematik macht es möglich, „die Wahrheit“ herauszufinden.
Leider sind
damit alle Nichtmathematiker inkompetent, sich über „die Wahrheit“
Gedanken zu machen. Wenn das jemand darf, dann ausschließlich Mathematiker bzw.
Wissenschaftler, die an unserer Wahrheit herumrechnen. Und das muss man diesen
Experten dann schließlich auch glauben.
Aber zurück
zu Mr Greening, den der rasante Einsturz der Türme einfach keine Ruhe ließ: „Zuerst
musste ich verstehen, warum die Türme so einfach einstürzen konnten, wie es
aussah. Ich kniete mich in diese 9/11-Sache rein, ich wollte die Frage mit
angewandter Physik klären. Also schrieb ich ein Computerprogramm, basierend auf
der Impulsübertragung.“
Doch dann die
überraschende Mitteilung: Der Mann ist Chemiker von Beruf. Ein Chemiker, der offenbar zufällig
nicht nur auch Experte in angewandter Physik ist, sondern auch
Computerprogramme schreiben kann, basierend auf Impulsübertragung – und beides
natürlich fehlerfrei.